Blutige Hände im Hohen Haus
Juristisches Nachspiel einer friedlichen Protestaktion im Bundestag
Rund 50 Kriegsgegner waren zum Prozessauftakt erschienen, für nur elf Zuhörer gab es Plätze. Anlass genug für Anwalt Hans-Eberhard Schultz, ob des öffentlichen Interesses eine Verlegung in einen größeren Saal zu beantragen. Doch Amtsrichterin und Staatsanwaltschaft wiesen den Antrag zurück. Zudem befand Schultz, dass die Anklage erhebliche Mängel aufweise, da das eigentliche Geschehen vor zweieinhalb Jahren gar keine Erwähnung finde. Und so vertagte man sich auf November.
Wäre sie zu Wort gekommen, hätte sich Laura von Wimmersperg als Überzeugungstäterin für gewaltfreien Protest noch einmal nachdrücklich zu der Antidrohnenaktion im Bundestag bekannt. Rückblende: »Das Wort hat der Kollege Florian Hahn für die CDU/CSU«, bittet die damalige Vizepräsidentin des Bundestages, Katrin Göring-Eckardt (Grüne), am 24. April 2013 den Abgeordneten ans Rednerpult. Man will über die Anschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr debattieren. Als der CSU-Mann loslegen will, erheben sich auf der Zuschauertribüne vier Besucher. Sie halten ihre rotbemalten, wie mit Blut besudelten Hände hoch und rufen: »Ächten Sie die Kampfdrohnen.«
Protestieren im Hohen Haus, das geht gar nicht, das ist unanständig. Man darf beschimpfen, beleidigen, platte Witze machen - ein Privileg der Abgeordneten; protestieren auf den Rängen verstößt gegen die Spielregeln. Der CSU-Mann ist empört, die Grünen-Vizepräsidentin reagiert sofort: »Ich bitte Sie, die Besuchertribüne zu verlassen.« Das war keine Bitte, sondern eine Aufforderung an das Sicherheitspersonal, die »Störer« aus dem Plenarsaal zu entfernen. Eine, die ihren Protest artikuliert, ist Laura von Wimmersperg, Berliner Friedensaktivistin im alten West- und im vereinigten Berlin seit Jahrzehnten. Nun steht sie vor Gericht, von der Staatsanwaltschaft der Verletzung der Hausordnung des Bundestages beschuldigt. Einen Bußgeldbescheid über 250 Euro hatte die 81-Jährige zurückgewiesen. Ihre drei Mitstreiter haben den Strafbefehl akzeptiert.
Ob Protest gegen Kampfdrohnen, Neutronenbombe oder NATO-Doppelbeschluss, Initiativen für die Rehabilitierung und Würdigung der Wehrmachtsdeserteure, Eintreten für ein differenziertes Bild über Russland - alle Friedensaktionen in Berlin sind untrennbar mit ihrem Namen verbunden. Laura von Wimmersperg ist die Seele der Berliner Friedenskoordination (Friko). Seit 40 Jahren organisiert sie den Ostermarsch an der Spree. Sinkende Teilnehmerzahlen können sie nicht demotivieren. »Kriege haben immer ökonomische Hintergründe«, sagt sie am Rande des Verfahrens, »deshalb habe ich auch die Kraft weiterzumachen.«
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