Grandioser Antikriegsfilm mit skurrilem Humor

Der Spanier Fernando León de Aranoa folgt Mitarbeitern einer NGO im Kriegsgebiet

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit »La Familia« katapultierte sich der spanische Drehbuchautor Fernando León de Aranoa 1996 in die erste Riege der Regisseure Europas. Mit Benicio del Toro, Tim Robbins und Ex-Bond-Girl Olga Kyrilenko in den Hauptrollen verfilmte er nun den Roman »Dejarse Llover« von Paula Farias. »A Perfect Day« porträtiert mit schwarzem Humor Spezialisten einer NGO im vom Bürgerkrieg gezeichneten Bosnien. Um die Wasserversorgung mehrerer Dörfer zu sichern, müssen sie eine Leiche aus einem Brunnen bergen. Auf der Suche nach einem Seil geraten sie in die Mühlen der Bürokratie und zwischen die Fronten.


Wie sind Sie auf den Roman der Mitarbeiterin von »Ärzte ohne Grenzen« gestoßen?
Für einen Dokumentarfilm recherchierte ich über Hilfsorganisationen in Konfliktzonen im Norden Ugandas. Ein Mitarbeiter, der dem von Benicio del Toro gespielten Pragmatiker Mambru im Film sehr ähnelte, erwähnte das Buch.

Es führt in den Kosovo. Warum haben Sie die Handlung nach Bosnien verlegt?
Im Winter und Frühling 1995 drehte ich wenige Monate vor Ende des Krieges in der Nähe von Mostar. Die Situation war konfus und absurd. Keiner konnte mir erklären, was sich abspielte. Das löste bei mir ein Gefühl der Ohnmacht aus, das in diesem Film seinen Platz fand. Ich verspüre große Hochachtung vor der Arbeit der NGOs, die in solch verfahrenen Situationen versuchen, Normalität, Ordnung und Menschlichkeit in den Alltag der Zivilbevölkerung zurückzubringen. Ihr Engagement endet oft in einem bizarren Alptraum, da sie zwischen den Fronten, den verschiedenen Interessen und den eigenen Vorschriften zerrieben werden.

Sie sparen nicht aus, dass die systematische Erschießung bosnischer Männer wie in Srebrenica Alltag in Bosnien war?
Die Friedhöfe in Bosnien sind heute stumme Zeugen des Versuchs der systematischen Vernichtung der männlichen Bevölkerung. In Mostar wurden sogar Friedhöfe Parks angelegt, weil die Wege zu den Ruhestätten vermint waren.

Haben Sie den schwarzen, teils sarkastischen Humor aus dem Buch übernommen?
Ich habe ihn verstärkt. Im Buch reflektiert die Hauptfigur die Erfahrungen aus mehreren Kriegen. Ich habe mich auf den Einsatz in Bosnien beschränkt und die Allgemeingültigkeit herausgearbeitet. Auch die Frauenrollen einschließlich der inneren Zerrissenheit Mambrus bei der Begegnung mit seiner Ex-Freundin werden sie im Buch vergeblich suchen.

Der ruhige Mambru agiert pragmatisch, sein langjähriger Kumpel B ist ein von den Kriegserlebnissen gezeichneter Zyniker. Erstmals arbeiten die beiden mit einer jungen Französin. Wie haben Sie die Figurenkonstellation aufgebaut?
Die junge Französin Sophie ist idealistisch. Irgendwann wird sie den Pragmatismus von Mambru annehmen. Sonst geht sie psychisch zugrunde. Und wenn sie zu lange bei den NGOs bleibt, läuft sie Gefahr, zu einem Zyniker wie B zu werden. Diese Entwicklung haben mir viele Mitarbeiter von Hilfsorganisationen bestätigt. Zunächst wollen sie die Welt verändern und rennen mit dem Kopf durch die Wand. Dann arrangieren sie sich. Der Krieg brennt sich in ihre Seele ein. Sie kennen keine anderen Gesprächsthemen. Alltag und Familie in den Heimatländern sind fremd geworden.

Wie ist es Ihnen gelungen, zwei Oscar Gewinner für einen europäischen Film zu gewinnen?
Ich kennen Benicio seit langem. Deshalb hat er das Buch schnell gelesen und zugesagt. Er hat Tim Robbins angesprochen. Der mochte die Verlorenheit und das Verrückte seiner Figur B, diese Mischung aus nicht gesellschaftsfähigen Außenseiter und Punkrocker.

Sie haben den Film in Spanien finanziert. Hat sich die Filmindustrie von der Krise nach 2008, als die Produktion fast zum Erliegen kam, mittlerweile erholt?
Wir haben die Talsohle nach der finanziellen Krise von 2008 überschritten, sind aber weit entfernt von den guten, alten Tagen. Die 1990er waren eine gute Ära für den spanischen Film. Xavier Bardem, Axél de la Iglesia, Pedro Almovodar, Isabel Coixet und auch ich hatten mit sehr persönlichen Filmen Erfolg. Die Kritik jubelte, die Zuschauer liebten und diskutierten unsere Filme. Die ökonomische Krise nach 2008 hat uns aus der Bahn geworfen. Seit sechs Jahren fehlt den Zuschauern das Geld für die Kinokarten. Die Zentral- und Regionalregierungen kürzten die Unterstützung radikal ein. Viele Leute verloren ihre Lebensgrundlagen, sie fahren heute Taxis oder halten sich mit Aushilfsjobs über Wasser. In den ersten Monaten der Krise haben sie noch angerufen und um Arbeit gebettelt. Irgendwann haben sie resigniert.

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