Klein war das Volk
350 Menschen protestieren gegen Auftakt von AfD-Demoreihe in Berlin
»Gruselig«, Oliver Höfinghoff schüttelt den Kopf, der Sprecher für Antifaschistische Strategien der Fraktion der Piraten im Abgeordnetenhaus ist am Samstagnachmittag zum Konrad-Adenauer-Haus gekommen, um sich selbst ein Bild vom Demonstrationszug der etwa 150 AfD-Anhängern von der CDU-Bundeszentrale zum Wittenbergplatz zu machen.
Ein paar Meter weiter rückt ein Mann sein blaues AfD-Shirt zurecht. Es ist Heribert Eisenhardt, der dem Berliner Landesverband der rechtspopulistischen Partei in den vergangenen Monaten immer wieder Negativschlagzeilen bescherte. Bis Journalisten Recherchen zu seinen regelmäßigen Auftritten bei den rassistischen »Bärgida«-Demonstrationen veröffentlichten, wurde er im Internet als Mitglied des AfD-Bezirksvorstandes in Lichtenberg geführt.
Auch bei der Demonstration am Samstag macht Eisenhardt deutlich wo er politisch steht, er trägt ein Schild auf dem er sich mit dem umstrittenen Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke solidarisiert. Kritik musste er bei der Berliner AfD offensichtlich nicht fürchten. Währenddessen ergreift von der kleinen Pritschenwagen, der als Bühne fungiert, der Brandenburger Landtagsabgeordnete Andreas Kalbitz das Wort. Auch Kalbitz steht wegen seiner extrem rechten Verstrickungen im Blick der Öffentlichkeit. Er war nicht nur Anfang der 1990er Jahre bei den rechtsextremen »Republikaner«, sondern ist seit Dezember 2014 auch Vorsitzendender eines von einem ehemaligen SS-Offizier gegründeten geschichtsrevisionistischen Vereins, wie das rbb-Magazin »Klartext« herausfand.
Unter den Zuhörern fällt ein junger Mann ins Auge, auf seinem Oberteil ist der Schriftzug »Still not loving Antifa« zu erkennen. Er ist mit einigen weiteren Aktivisten der »Identitären Bewegung« gekommen und versteht sich auffallend gut mit einem Ordner von der AfD-Jugendorganisation »Junge Alternative (JA)«. Mit Moritz Schellenberg sitzt im Berliner Landesvorstand der JA ein Schatzmeister, der laut Berichten von Antifa-Gruppen selbst zu dem als rechtsextremen eingestuften Netzwerk gehören soll.
Die »Identitären« sind genauso regelmäßig bei den »Bärgida«-Demonstrationen am Hauptbahnhof anzutreffen, wie eine etwa zehnköpfige Gruppe, die am Samstag etwas später dazu stößt und deren Mitglieder sich bis vor einigen Wochen noch »Bündnis Deutscher Hools« nannten. Die Gruppierung hat sich mittlerweile aufgelöst, denn aus ihren Reihen stammten die Täter eines versuchten Brandanschlages auf eine Flüchtlingsunterkunft am Blumberger Damm in Marzahn, wie die Senatsinnenverwaltung am Freitag in ihrer Antwort auf eine Anfrage im Abgeordnetenhaus bestätigte.
In der Budapester Straße bedroht die Gruppe später aus der Demonstration einen Journalisten. »Am Montag holen wir uns deine Kamera«, spielt einer auf die wöchentlichen Auftritte am Hauptbahnhof an. Die von Versammlungsleiter Marc Vallendar zu Beginn pflichtschuldig vorgetragene Distanzierung von Gewalt und Rechtsextremismus erwies sich somit bereits zum Start der von nun an wöchentlichen AfD-Demonstrationen in der Hauptstadt als wenig tragfähig.
Zu Protesten gegen den Auftritt der »Alternative für Deutschland« hatte neben den im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien, das Bündnis »Stopp AfD« aus antifaschistischen und antirassistischen Gruppen aufgerufen. Das Bündnis hatte eine Demonstration vom S-Bahnhof Tiergarten aus organisiert. Der Gegenprotest an dem sich nach Angaben der Polizei 350 Menschen beteiligten, verlief ohne größere Zwischenfälle.
In Redebeiträgen wurden die »chauvinistischen, rassistischen und frauenfeindlichen Inhalte« der AfD angeprangert. Aber auch die Doppelmoral der Regierungsparteien SPD und CDU angesichts der beschlossenen weiteren Verschärfung des Asylrechts wurde kritisiert.
Trotz weiträumiger Polizeisperrungen war Protest während des gesamten rechten Aufmarsches wahrnehmbar. Die Abschlussrede der Berliner AfD-Europaabgeordneten Beatrix von Storch in der Tauentzienstraße wurde immer wieder mit Sprechchören übertönt. Es sei wichtig, dass sich viele Menschen der AfD entgegenstellten. Denn die Partei propagiere »einen Nützlichkeitsrassismus« und »die Ausgrenzung von Flüchtlingen«, lobt Sebastian Wehrhahn von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) die Gegendemonstranten. Bereits nächste Woche geht es weiter, dann will die AfD sich am Samstag ab 16 Uhr am Roten Rathaus treffen.
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