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Herausforderung Asyl

Sachsens Landeschef Gebhardt sieht LINKE besonders in der Pflicht

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 4 Min.
Der LINKEN kommt durch die Zuwanderung eine spezielle Verantwortung zu. Das sagt Sachsens Landeschef Rico Gebhardt in einem Positionspapier, das unter Genossen viel Lob erhält.

Kritik an den Verhältnissen ist für eine Oppositionspartei Alltagsgeschäft. Wenn andere die als unbefriedigend empfundenen Zustände jedoch anziehend finden, kann das zu Irritation führen - oder zu »klammheimlichem Ärger«, wie es Rico Gebhardt, Landeschef der LINKEN in Sachsen, formuliert. Der könne entstehen, weil die in Deutschland ankommenden Flüchtlinge ein Land gut fänden, »an dem wir so vieles zu kritisieren haben«, schreibt Gebhardt in einem Positionspapier zur Asylpolitik - und mahnt seine Genossen zugleich, sich solchen Ärgers zu enthalten. Die Migration, merkt er an, bedrohe eben auch einige »liebgewordene linke Gewissheiten«.

Sie ist aber vor allem eine Aufgabe, der sich seine Partei womöglich intensiver stellen müsse als andere Parteien und Verbände. Die LINKE befinde sich derzeit in einer widersprüchlichen Lage, stellt Gebhardt fest. Einerseits sei sie »prinzipiell internationalistisch«, stehe also an der Seite jener, die sich mit ihrer Flucht de facto einer Volksabstimmung gegen brutale Regimes und wirtschaftliche Notlagen anschließen. Zugleich verstehe sich die Partei aber als »politische Sozialversicherung« der Menschen in der Bundesrepublik, die sich durch eine entfesselte Globalisierung in ihrer sozialen Existenz bedroht sähen - und Zuwanderer womöglich zuerst als Konkurrenten um Jobs und immer knapper werdende Ressourcen wahrnehmen. Man müsse daher fundierter als andere die derzeit von vielen Menschen gestellte Frage beantworten: »Wo führt das alles hin?«

Gebhardt sieht die Antwort in einer Politik für die »Prekarisierten aller Länder«, die sich um einen syrischen Pizzabäcker ebenso kümmert wie um eine sächsische Alleinerziehende. »Wer Syrern ohne Schulabschluss hilft, kann auch sächsische Schulabbrecher an einen Beruf heran führen«, heißt es in dem Papier. Die Gesellschaft, stellt das Papier fest, werde sich durch die Vielzahl an Geflüchteten verändern - was Gebhardt freilich dezidiert als Chance begriffen wissen will. Dieser Ansatz gehe deutlich über den von CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel hinaus, der nur in der »Negation einer vollständigen Abschottung« bestehe. Auch Sachsens Regierung aus CDU und SPD hält Gebhardt vor, sich bloß der »Verwaltung des Unvermeidlichen« zu widmen - und dies durch teils »wirre« und widersprüchliche Wortmeldungen führender Politiker zudem immer wieder in Frage zu stellen.

Für die von ihm geforderte Politik müsse sich auch die LINKE selbst ändern, räumt Gebhardt ein. Nicht zuletzt müssten Migranten »mehr als bisher« in die politische Arbeit einbezogen werden: Man solle »nicht nur für, sondern vor allem mit den Geflüchteten« sprechen. Dabei gibt es bisher große Defizite. Nabil Yacoub, langjähriger Geschäftsführer des Ausländerrates Dresden, hatte kürzlich im Gespräch mit »nd« kritisiert, in der sächsischen Kommunalpolitik treffe man kaum Migranten mit Mandat an - auch bei der LINKEN nicht. Gebhardt kündigt immerhin an, man wolle Geflüchtete »in die Formulierung linker Politik einbeziehen«.

Entschiedenen Widerspruch formuliert Gebhardt zu Positionen, wonach die Zuwanderer sich in Parallelgesellschaften abschotten oder in einer Mehrheit fundamentalistische Positionen vertreten würden. Eine falsche Politik habe im Freistaat schon jetzt »soziale Ghettos« entstehen lassen, sagt der Linkspolitiker. Sie gelte es aufzubrechen - zusammen mit Zuwanderern, die als »Mitstreiter bei Erhalt und Ausbau eines soliden Fundaments für ein soziales und demokratisches Sachsen« gesehen werden sollten. Gebhardt betont aber auch, dass eine Relativierung der Grundwerte von Aufklärung und Humanismus »mit uns nicht zu machen« sei. Regeln und Rituale, die dem zuwider liefen, sehe man als »illegitim« an.

In der Partei stößt das Papier auf eine positive Resonanz. Katja Kipping, aus Sachsen stammende Bundesvorsitzende der LINKEN, sagte dem »nd«, sie habe Gebhardt dazu gratuliert. Besonders wichtig scheine ihr, dass Geflüchtete »als Subjekte und nicht nur als Objekte von Politik gesehen« würden und ein Zusammenhang zwischen Flüchtlingspolitik und sozialen Fragen hergestellt werde. Diesen Aspekt streicht auch der Leipziger Ex-Landtagsabgeordnete Dietmar Pellmann heraus, der in dem Papier einen »deutlichen Fortschritt« sieht - auch wenn es »noch nicht vollkommen« sei. Neben einer deutlicheren Benennung der Faktoren, die zur massenhaften Flucht im Nahen Osten und in Afrika führen, wünscht sich der Sozialpolitiker konkretere praktische Vorschläge. Man dürfe nicht nur sagen, dass Flüchtlinge nicht mehr in unbeheizten Zelten wohnen sollen, sagt Pellmann: »Wir müssen auch sagen, wie und wo wir sie statt dessen unterbringen wollen.«

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