Mit einem PS bei der Forstarbeit

Karen Kiffner ist wohl die erste Frau in Thüringens jüngster Geschichte, die mit ihrem Pferd Holz durch den Wald zieht

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 3 Min.
Pferde waren aus der Forstwirtschaft fast völlig verschwunden, weil sie von Maschinen ersetzt wurden. Nun sind die Tiere gelegentlich wieder bei der Arbeit zu sehen.

Fünf Stämme hat Orlando ohne sichtbare Mühe den Hang hinabgezogen, dann kracht es stumpf. Er und Karen Kiffner haben in diesem Moment auch Glück. Der Baum verhindert, dass der Stamm zu einem unkontrollierbaren Geschoss wird. Waldarbeit ist und bleibt gefährlich. Immer wieder verletzen sich Menschen und Tiere dabei. Immer wieder auch tödlich.

Dass Kiffner es liebt, gemeinsam mit Orlando Holz durch den Wald zu ziehen - etwas, das im Forstdeutsch »Rücken« genannt wird -, konnten ihre Familie, ihre Freunde und ihre Bekannten auch wegen dieser Gefahr zunächst nicht verstehen. Dass sie in der jüngeren Geschichte Thüringens ziemlich wahrscheinlich die erste Frau im Freistaat ist, die diesen Job macht, hat dieses Unverständnis nur noch vergrößert.

Jahrhundertelang sind in den Wäldern Europas gefällte Bäume und Baumteile so bewegt worden, wie Kiffner und ihr Pferd das in dem Wald in der Nähe der Autobahn 9, unweit der Abfahrt Lederhose, tun. Bis die Maschinen kamen. Ab etwa den 1930er Jahren, sagt der Sprecher des Thüringer Forsts, Horst Sproßmann, hätten Maschinen die Arbeit der Pferde zuerst in der Land- und dann in der Forstwirtschaft nach und nach übernommen. In den 1960er und 1970er Jahren habe sich diese Entwicklung rasant beschleunigt, weil damals aus Skandinavien hoch spezialisierte Forstmaschinen nach Mitteleuropa gelangt seien. Und während es im DDR-Forst noch eigene Forstpferde gegeben habe, sagt Sproßmann, seien diese Tiere mit den Umstrukturierungen nach 1990 alle abgegeben worden. Heute habe der Forst keine eigenen Pferde mehr. Pferderücker wie Kiffner arbeiten als externe Dienstleister mit ihren Tieren für den Forst und andere Waldbesitzer.

Kiffner ist im Hauptberuf Physiotherapeutin, hat aber schon den größten Teil ihres Lebens mit Pferden zu tun. Eigentlich, sagt die 43-Jährige, sei sie nur in die Physiotherapie gegangen, weil sie dort therapeutisches Reiten habe anbieten können. Seit Anfang der 1990er Jahre lebt sie in Ostthüringen auf einem ehemaligen Rittergut, das ihren sechs Pferden und Ponys genug Platz bietet. Sie verfügt also im Grundsatz schon lange über die Tiere und die dazu gehörige Infrastruktur, um im Wald Holz zu rücken - was unbedingt notwendig ist, um das im Nebenberuf wirtschaftlich einigermaßen sinnvoll betreiben zu können. Reich wird man damit nicht.

Sproßmann sagt, Pferde seien bei der Holzernte im Verantwortungsbereich des Thüringer Forsts die Ausnahme. Von den etwa 1,1 Millionen Festmetern Holz, die das öffentliche Unternehmen jedes Jahr produziere, würden nur etwa 6000 bis 8000 Festmeter mit Hilfe von Vierbeinern und Rückern wie Kiffner aus dem Walddickicht an Waldwege geholt und dort auf Autos verladen. Aber immer wieder gebe es Situationen, in denen das Pferd der Maschine überlegen sei - entweder, wenn an schwer zugänglichen Orten gerückt werden muss oder wenn besonders bodenschonende Rückeverfahren gefragt sind.

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