Ein Weg durch Platte und Co
Woher kommt das Hochhaus? Open-Air-Ausstellung zu Architektur- und Bezirksgeschichte in Ost-Berlin eröffnet
Für Werner Schmitz war am Mittwoch ein besonderer Tag. Der ehemalige Mitarbeiter im Bereich Stadtumbau des Bezirksamtes Lichtenberg hatte schließlich die Idee, die Geschichte des industriellen Wohnungsbaus am Originalschauplatz zu zeigen. »Weil die Vielfalt der Plattenbauten zwischen der Straße am Tierpark, der Sewan- und der Rummelsburger Straße einfach enorm ist«, sagt der Rentner. Immerhin 13 unterschiedliche Typen dieser Bauweise stehen dort relativ dicht nebeneinander.
»Die beliebte Wohngegend widerlegt beispielhaft, die immer noch vorhandenen Vorurteile gegenüber der ›Platte‹,« freut sich Stadtentwicklungsstadtrat Wilfried Nünthel (CDU). Auch das wird mit der jetzt eingeweihten »Inforoute Platte & Co« deutlich. Diese Freiluftausstellung veranschaulicht Hintergründe, Qualitäten und Hemmnisse des Systems »komplexer Wohnungsbau« in der DDR.
Dazu wurden 15 Standorte ausgewählt, an denen jetzt jeweils eine reich bestückte Tafel steht. Nicht nur Fotos vom Entstehungsjahr der Gebäude und nach der Sanierung sind zu sehen, sondern der Betrachter erfährt ebenso viele Details zum Bauwerk. Dass beispielsweise an der Mellenseestraße 5 mit der »QP-Serie« 1959 erstmals raumgroße Elemente verwendet wurden. Ein sogenanntes »Mittelganghaus« befindet sich an der Schwarzmeerstraße. Die Planung geht auf einen Wohnungsbauwettbewerb von 1963 zurück. Ein Highlight ist auch die Splanemann-Siedlung, die erste industriell gefertigte Wohnsiedlung Deutschlands. Am mächtigen Riegel an der Alfred-Kowalke-Straße findet der Ausstellungsbesucher den am häufigsten hochgezogenen Plattenbautyp der DDR: Typ WBS, entwickelt von der Bauakademie. »Durch eine veränderte Statik war er sehr flexibel in den Grundrisslösungen«, erklärt Christiane Werner von der Planergemeinschaft Kohlbrenner eG.
Sie gestaltete gemeinsam mit Kollegen das Inforouten-Konzept und lobt die »tolle Zusammenarbeit mit den ansässigen Wohnungsunternehmen«. Die Eigentümer stellten alte Pläne und jede Menge historisches Bildmaterial zur Verfügung. Und sie erklärten sich bereit, die Stahlsäulen auf ihren Grundstücken aufzustellen und ebenso die Pflege zu übernehmen.
Der Bezirk hofft, dass künftig nicht nur Anwohner den rund 2,5 Kilometer langen Geschichts-Spaziergang entlang der sanierten Häuser machen, sondern auch Fachpublikum aus den Bereichen Stadtplanung, Architektur und Wohnungswirtschaft sowie Platten-Touristen. Auf einem Flyer sind die einzelnen Stationen ausführlich erklärt. »Erhältlich ist das Material unter anderem in der Bodo-Uhse-Bibliothek in Friedrichsfelde, im Bezirksmuseum Lichtenberg und im Internet«, sagt Nünthel. Ob es künftig vielleicht geführte Spaziergänge gibt, müsse man sehen, formuliert der Politiker vorsichtig.
Gefördert wurde das Projekt durch das Programm Stadtumbau Ost. »Rund 90 000 Euro kostete es insgesamt«, berichtet der Stadtrat.
Hendrik Hübscher von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung machte deutlich: »Seit 2002 flossen innerhalb dieses Programms 12,5 Millionen Euro vor allem in die Aufwertung der Freiflächen und die Qualifizierung der sozialen Infrastruktur nach Friedrichsfelde.«
Infos unter www.gross-siedlungen.de
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