Dänische Rechtspopulisten wollen Brüssel in die Bredouille bringen
Referendum über Europol könnte Auftakt für Sonderforderungen an die EU sein
Eigentlich geht es beim dänischen Referendum am 3. Dezember nur um die Teilnahme an Europol. Aber die Rechtspopulisten des nordeuropäischen Landes drängen auf eine »Schweizer« Lösung.
In der Volksabstimmung entscheiden die Dänen darüber, wie eng ihre Verbindung zu den europäischen Institutionen sein soll. Nach dem knappen Nein zum Maastricht-Vertrag 1992 waren dem Land vier Ausnahmeregelungen zugestanden worden. Die nimmt es bislang von der engeren EU-Zusammenarbeit in den Bereichen Verteidigung, Justiz, Währung und Inneres aus. Doch nun tickt die Uhr.
Dänemark muss zumindest Teile der Ausnahmeregelungen im Justizbereich aufgeben und die entsprechenden EU-Normen in nationales Recht umsetzen. Sonst könnte es künftig aus der Teilnahme an Europol und der europaweiten Bekämpfung organisierter Kriminalität herausfallen.
Im August hatte die bürgerliche Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Lars Lökke Rasmussen eine Volksabstimmung dazu für den 3. Dezember angekündigt. Bei einem von Rasmussen gewünschten »Ja« sollen 22 von 50 EU-Rechtsnormen national übernommen werden. Dabei geht es um die Aufnahme von sieben EU-Richtlinien zum Strafrecht und zur polizeilichen Kooperation. Hinzu kommen 15 Richtlinien zu Zivil-, Familien- und Handelsrecht. Unter anderem geht es um Insolvenzverfahren, europaweite Zusammenarbeit von Gerichtshöfen sowie um das Ehe- und Sorgerecht.
Diese Punkte sind eigentlich kaum strittig. Noch vor Monaten hatte dementsprechend mit 52 Prozent zu 21 Prozent eine große Mehrheit der Bevölkerung in Umfragen angegeben, mit »Ja« stimmen zu wollen. Doch im Zuge der Flüchtlingskrise und nach Großbritanniens Vorstoß zur Flexibilisierung der Europäischen Union, der von Kopenhagen gestützt wird, hat sich das Blatt gewendet.
Inzwischen gilt der Ausgang des Referendums wieder als offen. Laut letzter Umfrage von Ende Oktober wollen 29 Prozent die EU-Regeln übernehmen, 28 Prozent mit »Nein« stimmen. 39 Prozent sind sich noch unsicher. Neben Rasmussens Venstre-Partei setzen sich auch die Konservativen und im linken Oppositionsblock die Sozialdemokraten, die Sozialliberalen sowie die Sozialisten für ein »Ja« ein. Vor allem die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (DF) feuert hingegen immer erfolgreicher die »Nein«-Seite an.
Obwohl Rasmussen, der von der stimmenmäßig größeren DF abhängig ist, bereits eine sehr restriktive Asyl- und Einwanderungspolitik umsetzt und betont, dass sich an der dänischen Hoheit in diesen Fragen absolut nichts ändern wird, befürchtet die Volkspartei genau das. Die anderen Parteien würden die bei einem »Nein« gefährdete Europol-Zusammenarbeit nur als Grund vortäuschen. Letztlich ginge es den proeuropäischen Parteien darum, eine Hintertür zu öffnen, um zum Beispiel die Ausländerpolitik an die EU-Normen anzupassen, behauptet die rechtspopulistische Partei. Man könne ihnen nicht vertrauen, dass sie nach einem »Ja« beim Volksentscheid Wort halten werden, so etwa der DF-Spitzenpolitiker Morten Messerschmidt.
Stattdessen fordert Messerschmidt, ähnlich wie die Nicht-EU-Mitglieder Schweiz und Norwegen, bilaterale Abkommen zur polizeilichen Zusammenarbeit abzuschließen. Im Windschatten eines möglichen Eingehens der EU auf Großbritanniens Sonderwünsche dürfte dies nicht allzu schwer durchzusetzen sein, auch wenn Dänemark im Gegensatz zur Schweiz und zu Norwegen EU-Mitglied ist und eigentlich tiefer gehende Verpflichtungen hat, so der Tenor.
Die dänische Volksabstimmung am 3. Dezember könnte der Auftakt zu einer neuen Woge von Forderungen nach Ausnahmeregeln in zahlreichen EU-Ländern sein, befürchten EU-Befürworter.
In Dänemark wird auch immer wieder ein Referendum zur Euroeinführung angedacht. Es hätte aber bislang keine Chancen im Volk. Im Jahr 2000 hatte es die Währungsunion mit 52 Prozent abgelehnt.
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