Vermieter werben für Brandenburg
BBU: Weil nicht genug Wohnungen gebaut werden, könnte ein Umzug ins Umland helfen
Von Wohnungsnot möchte Maren Kern nicht sprechen. Noch nicht. Eher von »Wohnungsengpass«. Aber möglicherweise könnte es bald soweit sein, wenn es mit dem Wohnungsneubau nicht so voran geht wie erhofft und das »Delta zwischen dem Zuzug von Menschen und dem, was wir an Wohnungen anbieten können, noch größer wird«, sagte die Chefin des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) am Donnerstag bei der Vorstellung des BBU-Marktmonitors.
Das »Delta« breitet sich bedrohlich aus. Bei den BBU-Unternehmen, zu denen die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sowie Genossenschaften gehören, aber auch private Großvermieter wie die Deutsche Wohnen, stehen nur noch 1,9 Prozent der Wohnungen leer, vor zehn Jahren waren es noch 5,5 Prozent. Sollte die Leerstandsquote unter ein Prozent fallen, würde auch Kern von Notstand sprechen. In einigen Stadtteilen ist diese Marke bereits erreicht, so in Köpenick und Friedrichshain (je 0,9 Prozent). Am ehesten kann man noch in Schöneberg, Zehlendorf und Spandau eine Wohnung ergattern.
Gegen den Wohnungsmangel hilft laut BBU vor allem Neubau. Um den wachsenden Zuzug zu bewältigen, müssten bis zum Jahr 2030 etwa 300 000 neue Wohnungen gebaut werden, 100 000 bis 2020, forderte Kern. Das würde eine Verdoppelung der bisherigen Zahlen bedeuten. Im vergangenen Jahr wurden rund 7000 Wohnungen in Berlin fertig, in diesem voraussichtlich 10 000. Bausenator Andreas Geisel (SPD) hält eine Steigerung auf 30 000 für »keine Hexerei. Das haben wir in den 90ern schon geschafft«, erklärte er in Reaktion auf die BBU-Forderung. Bisher hinkt Berlin beim Neubautempo anderen Städten allerdings hinterher. Verzeichnete Berlin im Vorjahr knapp vier neue Wohnungen pro 1000 Bestandswohnungen, waren es in Köln und Hamburg mehr als sechs, in München acht und in Potsdam sogar zwölf Wohnungen.
Dass Berlin aufholt, ist angesichts der Entwicklung bei den erteilten Baugenehmigungen kaum zu erwarten. In den ersten neun Monaten ging diese Zahl gegenüber 2014 um acht Prozent zurück. Kern macht dafür eine Mischung aus komplizierten Bauverfahren, hohen Baukosten, Baulandverknappung, Überlastung der Verwaltung und »von Gruppeninteressen geleiteten Widerständen gegen Bauvorhaben« verantwortlich. Die BBU-Chefin fordert deshalb eine »Willkommenskultur für Wachstum«. Es müsse mehr, dichter, schneller und günstiger gebaut werden, auch Hochhäuser in der Innenstadt dürften kein Tabu sein. Ebenso wie temporäre Lösungen. Den von der Senatsbauverwaltung für die Unterbringung von Flüchtlingen favorisierten Modulbauten steht sie allerdings skeptisch gegenüber: »Dann lieber gleich richtige feste Wohnungen bauen, das ist für die dauerhafte Integration auch besser.«
Kurzfristige Entlastung auf dem Wohnungsmarkt bringen Neubauten wegen des langen Vorlaufs jedoch nicht, weiß Kern. Sie empfiehlt deshalb den Umzug nach Brandenburg, wo im Umkreis von 60 Minuten Fahrzeit »in sehr schmucken Städten« zehntausend Wohnungen leer stünden. Die in der Regel auch viel günstiger zu haben sind als in Berlin. Die Nettokaltmiete bei den Brandenburger BBU-Unternehmen lag 2014 im Schnitt bei 4,79 Euro pro Quadratmeter netto/kalt, in Berlin bei 5,43 Euro. Wer in Brandenburg einen neuen Mietvertrag abschließt, muss mit einer Miete von 5,24 Euro pro Quadratmeter rechnen, bei einem Berliner BBU-Unternehmen von 6,31 Euro.
Der BBU hat ausgerechnet, dass Umzugswillige etwa in der Stadt Brandenburg bei einer 60-Quadratmeter-Wohnung 987 Euro im Jahr sparen würden, in Wittenberge 1354. Die Wohnungen dort seien meist komplett modernisiert. »In München oder Hamburg sind solche Pendlerwege völlig normal«, sagte Kern. Um die Wohnungspotenziale Brandenburgs besser zu nutzen, müsse aber die Verkehrsanbindung besser werden. »Augsburg oder Ingolstadt sind, obwohl 80 Kilometer von München entfernt, in 30 Minuten zuerreichen. Nach Cottbus, obwohl nur 72 Kilometer von Berlin entfernt, braucht man über eine Stunde.«
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