Wahlverlierer
PERSONALIE
Mit starrer Miene trat Olaf Scholz am Sonntagabend vor die Journalisten. Für den Hamburger Bürgermeister war die Ablehnung der Olympiabewerbung durch die Bürger der Hansestadt eine herbe Niederlage. »Das ist eine Entscheidung, die wir uns nicht gewünscht haben. Sie ist aber klar«, sagte er. Der SPD-Politiker hatte schon davon geträumt, das Großereignis in herausgehobener Funktion als Bundes- oder Landespolitiker im Jahr 2024 eröffnen zu können. Doch nun hat sich gezeigt, dass Scholz zwar Landtagswahlen deutlich gewinnen, aber in Einzelentscheidungen nicht seinen Willen gegen den der Bevölkerungsmehrheit durchsetzen kann. Eine ähnliche Erfahrung musste er beim Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Energienetze im September 2013 machen. Nun gaben berechtigte Sorgen vor den Folgen der Olympiade wie weiter steigende Mieten und hohe Kosten für die Stadt den Ausschlag. Das Versprechen von Scholz, dass die Spiele eine »Investition in die Zukunft« seien, klang für viele Hamburger offenbar nicht sonderlich vertrauenserweckend.
Bereits in den vergangenen Jahren hatte sich Scholz eher die Positionen von Unternehmensvertretern zu eigen gemacht, als sich um soziale Belange zu kümmern. Als Arbeitsminister in der ersten Großen Koalition unter Angela Merkel war er maßgeblich daran beteiligt, die Rente mit 67 durchzusetzen. Bei einigen linken Sozialdemokraten gilt Scholz noch immer als Neoliberaler. In diesen Kreisen ist er entsprechend unbeliebt. Die Hamburger SPD ist hingegen traditionell konservativ ausgerichtet. Hier fühlt sich Scholz wohl. Dass er eines Tages erneut in die Bundespolitik wechseln wird, hat der 57-jährige Jurist trotzdem nicht kategorisch ausgeschlossen. Wenn SPD-Chef Sigmar Gabriel bei der nächsten Bundestagswahl deutlich gegen Merkel verlieren sollte, gilt Scholz als einer der Anwärter auf dessen Nachfolge. An Selbstbewusstsein mangelt es dem stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden jedenfalls nicht. Dieses dürfte durch die Hamburger Olympiaentscheidung lediglich etwas angekratzt sein.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.