Vom Bürgerkrieg bis in die blühende Wellblechsiedlung
Wie die »Stadtgärten gegen den Hunger« das Leben der Reina Betanco verändert haben
Wo der Asphalt aufhört, fangen die Projektviertel an: Der Pick-up der »Stadtgärten gegen den Hunger« kommt nur langsam über die Pisten am Stadtrand von Managua. Auf ungepflasterten Wegen nähern wir uns unserem Ziel, dem Stadtviertel Israel Galeano am Rande der Hauptstadt Nicaraguas. Alles in allem haben wir für etwa 18 Kilometer aus dem Zentrum heraus eine Dreiviertelstunde gebraucht. Alltag für unsere Partnerinnen und Partner von der Organisation CAPRI.
Reina Betanco, eine der Teilnehmerinnen an dem Stadtgarten-Projekt, das von INKOTA unterstützt wird, erwartet uns schon. Sie steht mit ihrem zweijährigen Enkel Roberto José vor dem hohen Wellblechzaun ihres Hauses und begrüßt uns herzlich.
Ich bin mit ihr verabredet, um etwas über ihren Anfang in Managua und ihre Teilnahme an Projekten von CAPRI zu erfahren. Sie kam 1984 aus Estelí und war eine der ersten, die sich in dem Stadtviertel angesiedelt haben. Zu dieser Zeit war der Bürgerkrieg im Umfeld von Estelí besonders schwer im Gange, denn 1983/84 hatte die Contra, die von Honduras aus gegen die sandinistische Revolution operierte, eine Offensive gestartet, um die Stadt einzunehmen. »Ich war damals 21 Jahre alt, alleinstehend, und mein erster Sohn war gerade geboren. Vor allem wegen ihm bin ich nach Managua gegangen, ich wollte für ihn ein besseres Leben.«
Doch der Anfang in Managua war alles andere als hoffnungsvoll. Reina Betanco lebte zunächst in der Nähe der Carretera Norte in sehr beengten Wohnverhältnissen bei ihrem Bruder und schlug sich mit informellem Handel von Brennholz, Mais und Eiern durch. Als ihre Tochter geboren wurde, zog sie mit ihren beiden Kindern nach Israel Galeano. »Hier war gar nichts, nur Gras und Gestein. Ich habe mit der Machete das Stück Land gesäubert, was ich mir ausgesucht hatte, und mit Steinen, Holz und Plastikfolie begonnen, ein Haus zu bauen«, berichtet sie. Reina Betanco hatte Glück, denn im Gegensatz zu manchen, die mehr als zehn Jahre auf die Legalisierung ihres kleinen Grundstücks warten mussten, bekam sie diese recht schnell.
Kein Glück hatte sie hingegen mit der Wasser- und der Stromversorgung: Das Wasser musste sie sich aus einem fast einen Kilometer entfernten Brunnen holen, und statt abends das Licht einschalten zu können, zündete sie Kerzen an. »Wir haben uns deshalb in der Gemeinde organisiert. Erst Jahre später hatte ich wie die anderen Licht und Wasser«, erzählt sie weiter.
Ihre Einkommensverhältnisse besserten sich aber nicht. Dies geschah erst durch Projekte von CAPRI. »Im Jahr 2002 hat meine Tochter an einem Projekt für Kleinunternehmen für Jugendliche teilgenommen, und wir haben einen Kleinkredit bekommen. Damit konnten wir uns Gerätschaften kaufen, mit denen wir jeden Tag Tortillas gebacken haben. So hatten wir wenigstens geringe Einnahmen«, berichtet Reina Betanco. Später habe sie an Kursen zur Kinderernährung teilgenommen. Dann kam das Projekt mit INKOTA.
»Ich habe von einer in dem Projekt ausgebildeten Promotorin für Ernährungssicherheit Saatgut geschenkt bekommen. Bald war mein Garten so schön, dass andere Frauen meinen Modellgarten besuchten und ich ihnen selbst Saatgut schenken konnte. Außerdem haben wir jetzt viel besseres Essen. Von der Ernte im Mai habe ich durch den Verkauf von Gurken und Roten Rüben 120 Dollar eingenommen. Jetzt sieht mein Garten aber gar nicht schön aus, denn es war in letzter Zeit zu trocken. Nächstes Jahr will ich in meinem Haus eine kleine Verkaufsstelle einrichten«, schaut Reina Betan hoffnungsvoll in die Zukunft.
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