Der Traum vom gleichberechtigten Fliegen

Die Skispringerinnen starten in ihre fünfte Weltcupsaison

  • Lars Becker, Lillehammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Andreas Bauer, Bundestrainer der Skispringerinnen, schwankt zwischen Frust und Freude. Fliegende Frauen wurden schnell akzeptiert, für die Weiterentwicklung aber wird viel zu wenig getan.

Gleichberechtigung sieht wahrlich anders aus. Die weltbesten Skispringerinnen um Doppelweltmeisterin und Olympiasiegerin Carina Vogt vom SC Degenfeld starten am Freitag in Lillehammer auf der kleinen Schanze in ihre fünfte Weltcupsaison. Am Sonnabend und Sonntag dürfen dann die männlichen Stars wie Doppelweltmeister und Teamolympiasieger Severin Freund vom WSV Rastbüchl im Olympiaort von 1994 durch die Lüfte segeln - natürlich vom großen Lysgardsbakken, und das gleich zweimal.

»Wenn wir so eine lange Anreise haben, dann sollte es wenigstens auch zwei Wettkämpfe für die Frauen geben. Neben dem Einzelspringen zum Beispiel noch einen Mixed-Wettkampf mit den Jungs. Aber da gibt es ja in der ganzen Weltcupsaison keinen einzigen«, schimpft Andreas Bauer. Der Bundestrainer der deutschen Skispringerinnen ist immer hin- und hergerissen zwischen dem Frust darüber, dass es nicht schnell genug mit dem Frauen-Skispringen vorangeht, und der Freude, welch positive Entwicklung die Sportart in den letzten Jahren genommen hat.

Die Rekordzahl von 19 Weltcup-Wettkämpfen steht in der anstehenden Saison auf dem Plan. Das sind immerhin sechs mehr als im vergangenen Winter. »Wir sind generell viel weiter als vor der ersten Weltcupsaison 2011. Es gibt überhaupt keine Vorbehalte gegen Frauen-Skispringen mehr. Vielmehr gibt es einen regelrechten Boom - wir haben allein in Deutschland über 200 junge Mädels bis 14, die springen«, erzählt Bauer. Das sind fast genauso viele wie bei den Jungs. Zumindest ist hier also die Gleichberechtigung schon erreicht - und neuerdings gibt es im Deutschen Skiverband (DSV) sogar eine eigene Talenttrainerin für die jungen Flugschülerinnen.

Die Nachfolgerinnen von Carina Vogt und Co stehen also bereit. Aber werden sie in Zukunft auch die gleichen Wettbewerbe wie die männlichen Stars der Szene springen dürfen? Bei den Höhepunkten in diesem Winter - der Vierschanzentournee zum Jahreswechsel und der Skiflug-Weltmeisterschaft im Januar in Österreich (Bauer: »Skifliegen käme für viele Frauen noch ein bisschen zu früh«) - fehlen die fliegenden Frauen. Bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften haben die Männer drei eigene Entscheidungen (Großschanze, Normalschanze, Team), die Frauen bei Olympia seit ihrer Premiere 2012 nur eine (Normalschanze).

Dazu kommt bei Weltmeisterschaften der bei den Fernsehzuschauern sehr beliebte Mixed-Wettbewerb, in dem sich Deutschland im Februar zum Champion gekrönt hatte. Der Antrag auf die Aufnahme dieses Wettkampfformates ins Olympiaprogramm von 2018 ist allerdings gescheitert. Und der Internationale Skiverband FIS tut auch nichts dafür, um diesen attraktiven Wettbewerb weiter voranzubringen.

»Wir müssten generell viel mehr gemeinsame Weltcupstationen mit den Männern haben. Die Frauen sind längst so weit, dass sie mehr als einmal wie in dieser Saison von der Großschanze springen können«, sagt Bauer. Wenn die Frauen von dem auch für Publikum und Fernsehen attraktiveren großen Bakken springen würden und damit nicht zwei Schanzen gleichzeitig präpariert werden müssten, hätten es auch die Organisatoren im Männer-Weltcup viel leichter mit Wettbewerben für das vermeintlich schwache Geschlecht. Dann könnte sich auch Carina Vogts Traum von einer Vierschanzentournee für Frauen erfüllen.

Die Tournee-Legende Sven Hannawald plädiert jedenfalls längst für die Gleichberechtigung in der Luft: »Es wäre kein Riesenmehraufwand, die Frauen in die Tournee zu integrieren. Es wäre eine schöne Idee. So könnten die Frauen auch einfach ein bisschen von unserer Geschichte profitieren.«

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