Solidarität mit den Mainzer Theaterleuten

Online-Petition verlangt Verfahrenseinstellung

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Fall machte Schlagzeilen: Weil über 100 Mitarbeiter des Mainzer Staatstheaters vor über zwei Wochen eine Kundgebung der Rechtspartei AfD vor dem Theatergebäude mit dem Vortrag von Beethovens Hymne »Ode an die Freude« beschallten, stellten Polizei und AfD Strafanzeige wegen Störung einer genehmigten Veranstaltung.

Dies hat in den letzten Tagen eine breite Solidaritätswelle mit den singenden Theaterbeschäftigten ausgelöst. Nun machen in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt auch Gerüchte über eine mögliche Einstellung des Verfahrens die Runde. »Die Anzeige ist bei uns noch nicht eingegangen, wir warten voller Gelassenheit ab«, erklärte eine Sprecherin des Staatstheaters am Montag auf »nd«-Anfrage. Sie bestätigte, dass auch in den vergangenen Tagen überwiegend aufmunternde Zuschriften im Theater eingegangen seien.

Rückendeckung erfahren die Theaterleute auch durch eine auf www.change.org publizierte »Petition für die Kunstfreiheit und gegen Rassismus«. Mit ihr wird vom rheinland-pfälzischen Justizministerium die sofortige Einstellung des Strafverfahrens verlangt. Die Anzeige richte sich »gegen die Kunstfreiheit und das Recht der freien Meinungsäußerung«, zumal die Sängerinnen und Sänger »gar nicht bei der Demo waren und diese störten, sondern im Foyer des Staatstheaters, also in einem geschlossenem Raum«, so der Petitionstext. »Die Fenster waren geöffnet, Verstärker oder Lautsprecher nach draußen gab es nicht, die waren auf Anweisung der Polizei abgebaut. Trotzdem war der Gesang draußen so laut, dass die AfD ihre Reden unterbrechen musste.«

Die Online-Petition erreichte am Montagmittag bereits die Marke von 28 000 elektronischen Unterschriften. Viele Kommentare von Unterstützern sprechen für sich. »Entsetzlich, dass sich Polizei und Richter nicht trauen, auf der richtigen Seite zu stehen, auf der Seite, die für alle Menschen eintritt, nicht nur für die Dummen, Gewalttätigen, Engstirnigen«, meint etwa Angelika Otterbach. Susanne Meuser: »Eine friedliche und in keiner Weise verhetzende Meinungsäußerung mit künstlerischen Mitteln ist lobenswert und nicht strafwürdig.«

»Die Veranstaltung wurde nicht gestört, höchstens kurzfristig niveauvoll unterbrochen, ganz friedlich und ohne Anfeindung. Im übrigen darf das Staatstheater doch in seinem eigenen Haus jederzeit bei offenen Fenstern proben«, stellt für Tobias Städtler fest. Und Jasmin Unckrich schreibt: »Ich bin eine Mitarbeiterin des Theaters und sehr stolz darauf, dass wir eindeutig Stellung beziehen.«

Für den 24. Januar 2016 plant das Mainzer Staatstheater zusammen mit dem rheinland-pfälzischen Landespolizeiorchester ein Benefizkonzert zu Gunsten eines Wohltätigkeitsprojekts für minderjährige Flüchtlinge. Zu den Initiatoren und Unterstützern der Veranstaltung gehören Innenminister Roger Lewentz und der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (beide SPD). Dies dürfte auch ein Hinweis darauf sein, dass sich politische Entscheidungsträger von dem Aktionismus der örtlichen Polizeidienststelle absetzen wollen.

»Solidarität mit dem Mainzer Staatstheater« war auch ein Motto bei einer Kundgebung mit rund 200 Teilnehmern gegen den Auftritt von AfD-Chefin Frauke Petry am vergangenen Donnerstag im Wiesbadener Vorort Erbenheim. Der Aufforderung auf Pappschildern zum »Hupen gegen Rechts« folgte nach Augenzeugenberichten mindestens jeder zweite vorbeifahrende Autofahrer.

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