»Dieser Aussage glaube ich kein Wort«
Gamze Kubasik, Tochter eines NSU-Opfers, und andere Nebenkläger zur Aussage von Beate Zschäpe
Auch über vier Jahre nach dem Auffliegen des NSU bleibt die Forderung der Nebenklagevertreter nach rückhaltloser Aufklärung der NSU-Verbrechen aktuell. Denn das, was Beate Zschäpe am Mittwoch zu deren Aufklärung beigetragen hat, ist gleich Null. Anwalt Mehmet Daimagüler zeigte sich gegenüber dem Bayerischen Rundfunk empört: Zschäpe könne doch nicht »nach 249 Verhandlungstagen kommen und uns so ein Lügenkonstrukt vorsetzen«. Sein Kollege, der Nebenklage-Anwalt Stephan Lucas, sagte: »Heute hat man sehr gut verstehen können, warum es manchmal klug ist, einfach den Mund zu halten.«
»Frau Zschäpe hat sich keinen Gefallen getan«, sagte auch Yavuz Narin. Der Münchner Rechtsanwalt, der sich immer wieder mit eigenen Rechercheergebnissen in die Aufklärung der NSU-Taten eingebracht hat, vertritt die Familie von Theodoros Boulgarides. 2005 war der in München ermordet worden. Für Narin ist auch nach der Aussage der Hauptangeklagten klar, dass bei Zschäpe eine besondere Schwere ihrer Schuld vorliege. Sie könne nicht ernsthaft glauben, mit der Erklärung durchzukommen.
Rechtsanwalt Sebastian Scharmer, der gemeinsam mit seinem Kollegen Peer Stolle die Tochter und den Sohn des am 4. April 2006 in Dortmund ermordeten Kioskbesitzers Mehmet Kubasik vertritt, meinte: »Die Erklärung hält einer gründlichen Überprüfung nicht stand. Zschäpe als Ahnungslose, den beiden Mittätern unterlegene Frau, die von den Taten jeweils vorher nichts wusste - das glaubt ihr niemand, der die Verhandlung von Anfang an besucht hat. Die Aussage ist konstruiert, ohne Belege und in sich widersprüchlich. Zschäpe wird sie nicht vor einer Verurteilung retten. Den Nebenklägern nützt sie nicht. «
Peer Stolle merkt an: »Diese Einlassung von Zschäpe ist tatsächlich ein Schuldeingeständnis. Was sie sagt, ist so konstruiert und lebensfremd, dass jedem klar geworden ist, dass sie die Unwahrheit sagt und was zu verschleiern hat.«
Gamze Kubasik, die Mandantin der beiden Nebenklageanwälte, war ohne große Hoffnungen nach München gekommen, um sich Zschäpes Erklärung anzuhören. »Meine von vorn herein geringen Hoffnungen, dass mit dieser Erklärung endlich die genauen Umstände des Mordes an meinem Vater aufgeklärt werden, sind enttäuscht«, sagte Gamze Kubasik und glaubt, mit ihrer Erklärung versuche Zschäpe sich aus der Verantwortung zu ziehen. »Dieser Aussage glaube ich kein Wort. Frau Zschäpe hätte vieles beantworten können. Sie hat jedoch nach einer sehr langen Verhandlung jetzt einfach versucht, ihre Rolle herunterzuspielen. Für mich ist das reine Taktik und wirkt total konstruiert.« Die »Entschuldigung« für die Taten von Mundlos und Böhnhardt nehme sie nicht an. Das sei » eine Frechheit, vor allem, wenn sie dann noch verbunden wird mit der Ansage, keine unserer Fragen zu beantworten«.
Bereits vor der Aussageverlesung hatten die beiden neuen Verteidiger der Hauptangeklagten erklärt, sie würden nur schriftliche Fragen des Gerichtes beantworten. Und zwar ebenfalls schriftlich. Den Nebenklägern, also den Hinterbliebenen der Opfer, gesteht man kein Fragerecht zu. Noch ist unklar, wie weit sich die Strafkammer auf diese Taktik der Zschäpe-Verteidigung einlassen wird.
Die Ankläger hielten sich auch am Mittwoch - wie gewohnt - noch zurück. Bundesanwalt Herbert Diemer sagte gegenüber der Presse: »Wir werden diese Einlassung natürlich genauestens prüfen.« Sie sei »ein Beweismittel unter vielen«. Eine Bewertung wolle er noch nicht vornehmen. »Alles andere wäre unprofessionell.«
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