Frankreich kommt mit einem braunen Auge davon

Rechtsradikale Front National gewinnt keine Region - aber mit Stimmenrekord / Konservative werden mit 41 Prozent stärkste Kraft / Sozialdemokraten holen mit Hilfe der Linken fünf Regionen / Steinmeier begrüßt Wahlergebnis

  • Lesedauer: 4 Min.

Update 11.00 Uhr: Steinmeier begrüßt Ergebnis der Regionalwahlen in Frankreich
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat das Ergebnis der Regionalwahlen in Frankreich begrüßt. Es sei »gut, dass (die rechtsextreme) Front National verloren hat«, erklärte Steinmeier am Montag über den Internetdienst Twitter. Ein »Rückfall in Nationalismen« sei das Letzte, was Europa brauche, hieß es weiter.

Frankreich kommt mit einem braunen Auge davon

Berlin. Die rechtsradikale Front National hat bei den Regionalwahlen in Frankreich im zweiten und entscheidenden Wahlgang am Sonntag keine einzige Region gewonnen. Parteichefin Marine Le Pen selbst unterlag in Nordfrankreich überraschend deutlich ihrem konservativen Kontrahenten. Im ersten Wahlgang vor einer Woche war die Front National noch mit landesweit 28 Prozent stärkste Kraft geworden und hatte damit das beste Ergebnis ihrer Geschichte erzielt. Die Rechtsextremen waren zudem in sechs der 13 Regionen vorne gelandet. Sie verpassten es jetzt aber, erstmals in ihrer Geschichte eine Region zu gewinnen.

Zugleich erzielte die FN aber einen Stimmenrekord. Die FN konnte mehr Wählerstimmen auf sich vereinen als jemals zuvor: Rund 6,6 Millionen Franzosen wählten die rechtsradikale Partei. Bei den Präsidentschaftswahlen 2012 hatten rund 6,4 Millionen Franzosen für Marine Le Pen gestimmt. Damals hatte es die FN-Chefin nicht in die zweite Wahlrunde geschafft. Umfragen zufolge könnte ihr das bei den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2017 aber gelingen. Die jetzigen Regionalwahlen waren der letzte große Urnengang vor den Präsidentschaftswahlen und gelten deswegen als wichtiges Stimmungsbarometer.

Das konservativ-bürgerliche Lager um Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy gewann laut Zahlen des Innenministeriums in sieben der 13 französischen Regionen und wurde damit stärkste Kraft. Die Sozialdemokraten von Präsident François Hollande und die in der zweiten Runde mit der Parti Socialiste verbündeten Linksparteien gewannen in fünf Regionen - und konnten damit die Verluste kleiner halten als vorhergesagt. Auf der Mittelmeerinsel Korsika gewannen die Nationalisten.

FN-Chefin Le Pen drohte am Sonntagabend: »Nichts wird uns aufhalten können.« Der Aufstieg ihrer Partei sei »unabwendbar«. »Die Front National hat die Zahl ihrer Vertreter in den Regionalparlamenten verdreifachen können und wird damit künftig die erste Oppositionskraft in den meisten Regionalparlamenten in Frankreich.«

Gegen die sozialdemokratische Regierung und die »Gefahren eines Regimes im Todeskampf« wetterte die 47-Jährige, kaum war die Niederlage der FN bekannt geworden. Bisher ging Le Pens Strategie einer »Entteufelung« der Partei auf: Die Parteichefin will der Front National mit einer Abkehr von den antisemitischen und offen rassistischen Parolen ihres Vaters ein respektableres Image verpassen und so neue Wähler gewinnen. Le Pen scheute nicht einmal davor zurück, im Sommer ihren Vater aus der Partei zu werfen, als dieser erneut die NS-Gaskammern als »Detail« der Geschichte bezeichnete. Auch andere Mitglieder des harten rechten Randes wurden aus der Front National entfernt, Le Pen umgab sich mit einer Reihe von jungen, smarten Nachwuchspolitikern. Das Parteiprogramm wurde in einer Reihe von Punkten entschärft, immer mehr Franzosen halten die FN inzwischen für wählbar.

Landesweit landete die Front National nun aber mit rund 27 Prozent der Stimmen nur noch auf dem dritten Platz, hinter dem konservativ-bürgerlichen Lager mit knapp 41 Prozent und dem linken Lager mit knapp 30 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 59 Prozent und damit deutlich höher als in der ersten Runde.

Besonders überraschend war die klare Niederlage von Parteichefin Le Pen, die als FN-Spitzenkandidatin in der Region Nord-Pas-de-Calais-Picardie angetreten war. Im Duell gegen den konservativen Kandidaten Xavier Bertrand kam die Tochter von FN-Gründer Jean-Marie Le Pen auf lediglich knapp 43 Prozent, wie das Innenministerium nach Auszählung fast aller Stimmen mitteilte. Ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen unterlag in der südfranzösischen Region Provence-Alpes-Côte d'Azur ihrem konservativen Kontrahenten Christian Estrosi.

Le Pen und ihre Nichte hatten bei den Regionalwahlen lange Zeit als klare Favoritinnen in ihren Regionen gegolten und waren im ersten Wahlgang mit deutlichem Vorsprung auf dem ersten Platz gelandet. Für den zweiten Wahlgang zogen aber die Sozialisten in diesen beiden Regionen ihre Wahllisten zurück und riefen zur Wahl der konservativen Kandidaten auf, um der FN den Weg zu einem Sieg zu verbauen.

Der sozialdemokratische Premierminister Manuel Valls dankte den linken Wählern am Sonntagabend, eine »Sperre« gegen die Rechtsextremen errichtet zu haben. Er mahnte zugleich: »Keine Erleichterung, kein Triumphgefühl. Die Gefahr der Rechtsextremen ist noch nicht gebannt.«

Sarkozy konservativ-bürgerliches Lager gewann sieben Regionen: Neben Nord-Pas-de-Calais-Picardie und Provence-Alpes-Côte d'Azur auch die Regionen Elsass-Champagne-Ardenne-Lothringen, wo die FN ebenfalls gute Chancen hatte, Auvergne-Rhône-Alpes, Pays de la Loire, Normandie und die umkämpfte Hauptstadtregion Ile-de-France, wo bisher die Sozialdemokraten den Regionalpräsidenten stellten. Die Sozialdemokraten und verbündete Linksparteien gewannen die Regionen Bretagne, Aquitaine-Limousin-Poitou-Charentes, Languedoc-Roussillon-Midi-Pyrénées, Centre und Burgund-Franche-Comté. Agenturen/nd

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