Der »Gänsevater« als Nazi
Uni Salzburg erkennt Medizin-Nobelpreisträger Konrad Lorenz die Ehrendoktorwürde ab
Als erste Hochschule in Österreich hat die Universität Salzburg 2014 beschlossen, die von ihr akademisch geehrten Persönlichkeiten auf eine mögliche Nazivergangenheit hin zu überprüfen. Die jetzt bekannt gegebenen Konsequenzen dieses Beschlusses dürften in der Wissenschaft für einiges Aufsehen sorgen. Denn neben dem deutschen Wirtschaftsjuristen Wolfgang Hefermehl, der sich als Hochschullehrer und SS-Obersturmführer für die »Entjudung der deutschen Wirtschaft« stark gemacht hatte, wird auch dem österreichischen Verhaltensforscher und Medizin-Nobelpreisträger Konrad Lorenz (1903-1989) die 1983 verliehene Ehrendoktorwürde aberkannt.
Lorenz habe aktiv die Ideologie des Nationalsozialismus verbreitet und dies im Verfahren zur Verleihung des Ehrendoktorats verschwiegen, begründete die Universität ihre Entscheidung. Bereits im Juni 1938, kurz nach dem »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich, hatte Lorenz einen Antrag zur Aufnahme in die NSDAP gestellt. Darin erklärte er, dass er »als Deutschdenkender und Naturwissenschaftler selbstverständlich immer Nationalsozialist« gewesen sei. Außerdem habe er »unter Wissenschaftlern und vor allem Studenten eine wirklich erfolgreiche Werbetätigkeit entfaltet« und den sozialistischen Studenten »die biologische Unmöglichkeit des Marxismus« vor Augen geführt. Als überzeugter Anhänger der Rassenlehre führte Lorenz während des Zweiten Weltkriegs erbbiologische Untersuchungen im besetzten Polen durch, um unter anderem die Eignung von »deutsch-polnischen Mischlingen und Polen« für eine weitere Ansiedlung zu prüfen.
Wie die Universität Salzburg in ihrer Erklärung schreibt, sei Lorenz durch die Hervorhebung der »Ausmerzung« beziehungsweise »Auslese« als wesentlicher Maßnahme für das Überleben der Menschheit maßgeblich an der Verbreitung der verbrecherischen NS-Ideologie beteiligt gewesen. Ein beredtes Beispiel hierfür ist der Artikel »Durch Domestikation verursachte Störungen arteigenen Verhaltens«, den Lorenz 1940 in der »Zeitschrift für angewandte Psychologie und Charakterkunde« publizierte. Darin heißt es: »So wie beim Krebs der leidenden Menschheit nichts anderes geraten werden kann als möglichst frühzeitiges Erkennen und Ausmerzen des Übels, so beschränkt sich auch die rassehygienische Abwehr gegen die mit Ausfallserscheinungen behafteten Elemente auf die gleichen recht primitiven Maßnahmen.« Damit gehörte Lorenz zu den Fürsprechern jener Politik der Nazis, die auf die »Vernichtung lebensunwerten Lebens« abzielte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte Lorenz, seine Verstrickungen in das NS-Regime herunterzuspielen. Gleichwohl hielt er in seinen Schriften daran fest, dass krankes Erbmaterial zur Erhaltung einer lebenstüchtigen Zivilisation ausgesondert werden müsse. Gegen Ende seines Lebens stellte er in einem Interview bedauernd fest, dass die ethischen Menschen nicht so viele Kinder hätten wie die Gangster, die sich unbegrenzt und sorglos reproduzierten. Und als ob dies nicht schon ungeheuerlich genug wäre, fügte er hinzu: »Gegen Überbevölkerung hat die Menschheit nichts Vernünftiges unternommen. Man könnte daher eine gewisse Sympathie für Aids bekommen.« Trotz solcher und ähnlicher Äußerungen erhielt Lorenz in Deutschland 1984 das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband.
Zwar gab es auch mitunter Kritik an seinen biologistischen Entgleisungen. Konsequenzen hatte das für ihn aber nicht. Man kann daher den Beschluss der Universität Salzburg nur begrüßen und hoffen, dass deren Beispiel Schule machen wird. Nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland, wo man sich mit der Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit im akademischen Leben traditionell besonders schwer tut.
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