Aufruf zu Protesten gegen Terror des AKP-Regimes
Kurdische Gruppen wollen am Samstag in Düsseldorf demonstrieren / Türkische Streitkräfte setzen Krieg gegen Zivilisten und militante Gruppen fort / Chefredakteur der »Hürriyet« drohen fünf Jahre Haft
Berlin. Im Südosten der Türkei setzt das autoritäre Regime in Ankara den Krieg gegen die Bevölkerung und gegen militante Gruppen in unvermittelter Härte fort. Die Deutsche Presse-Agentur berichtet unter Berufung auf offizielle Quellen in Ankara, es seien bei einer neuen Offensive türkischer Streitkräfte im Südosten des Landes mindestens 205 Kämpfer der Kurdischen Arbeiterpartei PKK getötet worden. Am schwersten betroffen war demnach der Bezirk Cizre in der Provinz Sirnak, wo 139 Kämpfer ums Leben gekommen sein sollen.
Die türkischen Streitkräfte setzten Panzer und Hubschrauber bei den Einsätzen ein. In mehreren Regionen werden seit Wochen immer wieder Ausgangssperren verhängt. Der Einsatz hat scharfe Kritik bei Menschenrechtsgruppen ausgelöst. Bei Angriffen von Sicherheitskräften und Armeeeinheiten auf linke Politiker, kurdische Gruppen und die Zivilbevölkerung wurden zahlreiche Menschen getötet. Einheiten gingen auch gegen Trauermärsche vor.
Am Freitag wurden Angriffe von Armee und Polizeieinheiten unter anderem auf das Gebäude des Direktorats für Kultur und Tourismus in Şırnak gemeldet, bei dem mehrere Menschen verletzt wurden. Zwei Männer, die in Cizre von Kugeln der Sicherheitskräfte getroffen waren, starben am Freitag laut der kurdischen Nachrichtenagentur ANF. Die Leichen von drei Jugendlichen, die am Donnerstag von Spezialkräften in Amed getötet worden waren, seien immer noch nicht an die Familien herausgegeben worden. Vor dem Krankenhaus würden Dutzende Menschen, darunter Politiker der linken HDP, auf die Herausgabe der sterblichen Überreste warten. In Silopi konnten zwei von der türkischen Staatsmacht getötete Männer erst nach einer Woche von der Straße geborgen werden.
»Der staatliche Terror des AKP-Regimes ist derzeit Alltag in Kurdistan«, heißt es derweil in einem Aufruf zu einer bundesweiten Protestaktion am Samstag in Düsseldorf. Seit Monaten würden kurdische Städte von türkischen Sicherheitskräften »belagert, Menschen ermordet, Häuser beschossen, Wasser-, Strom- und Telefonleitungen gekappt«. Täglich würden »vor allem Jugendliche und Frauen ermordet«. Derzeit befänden sich 200.000 Menschen auf der Flucht.
Die EU, die von der Türkei Unterstützung bei der Abschottung Europas erwartet, macht den anhaltenden Bürgerkrieg kaum zum Thema. »Es scheint schon etwas absurd, dass die EU mit dem Staat einen Deal in der Flüchtlingsfrage eingeht, der zu den größten Urhebern der Flüchtlingskrise zählt«, so der Aufruf zu der Protestdemonstration, die um elf Uhr vor dem DGB-Haus beginnen soll. »Die Türkei hat durch ihre Unterstützung von dschihadistischen Gruppen wie dem IS, der Al-Nusra Front oder der Gruppe Ahrar al-Sham und mit der Bekämpfung der basisdemokratischen Selbstverwaltung in Rojava/Westkurdistan den Krieg in Syrien maßgeblich mit befördert und so dazu beigetragen, dass abertausende Menschen ihre Heimat verlassen mussten. Sie entvölkert nun auch systematisch ganze Stadtbezirke in Nordkurdistan«, so die Kritik von Gruppen wie dem ABDEM (Europäischer Rat für Frieden und Demokratie), der Plattform der demokratischen Kräfte, dem Demokratischen Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland und der kurdischen Frauenbewegung in Europa TJK-E.
Derweil droht dem Chefredakteur der türkischen Zeitung »Hürriyet«, Sedat Ergin, nach Mitteilung des Blattes ein Verfahren wegen Beleidigung des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Grund sei ein Artikel des Journalisten vom September. Dabei solle sich Ergin spöttisch über eine Rede Erdogans zu einem Angriff der Kurdischen Arbeiterpartei PKK auf türkische Soldaten geäußert haben. Im Falle einer Verurteilung drohen Ergin fünf Jahre Haft. Die »Hürriyet« ist eine der größten Zeitungen in der Türkei. Ihre Redaktion wurde im Herbst zwei Mal von einem Mob aus Anhängern der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP angegriffen. Ergin teilt das Schicksal weiterer Journalisten, denen in der Türkei der Prozess gemacht werden soll. So waren vergangenen Monat der Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung »Cumhuriyet«, Can Dündar, und sein Kollege Erdem Gül verhaftet worden. Ihnen werden unter anderem Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und Spionage vorgeworfen. Hintergrund ist ein Bericht vom Sommer über angebliche Waffenlieferungen der Türkei an Extremisten in Syrien. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte persönlich Strafanzeige gestellt. Agenturen/nd
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