Ein Kunstwerk für die Abrissparty

Kann die Mauer des Endlager-Erkundungsbergwerks in Gorleben bemalt werden?

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Atomkraftgegner wollen die Mauer, die das Endlager-Erkundungsbergwerk im niedersächsischen Gorleben umgibt, in ein Kunstwerk verwandeln. Die Behörden sind gebeten, das Bemalen zu erlauben.

»Ratatazong - weg ist der Balkon«, freut sich »Presslufthammer-Bernhard« im gleichnamigen Hit der Gruppe »Torfrock« über sein destruktives Tun. Jener Song wäre die passende Begleitmusik zum Abriss der »Endlager-Mauer« im niedersächsischen Gorleben, empfahl Lüchow-Dannenbergs Bürgerinitiative Umweltschutz (BI) vor einigen Monaten. Damals freute man sich offenbar über eine Nachricht aus dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS): Dessen Präsident Wolfram König hatte verkündet, die oberirdischen Anlagen des Geländes sollen bis auf wenige Gebäude verschwinden, darunter auch die Mauer.

»Zu der Abrissparty möchten wir gern eingeladen werden«, reagierten die Umweltschützer seinerzeit, mahnten aber zugleich: Der Rückbau der Oberflächenanlagen sei reine Oberflächenkosmetik. »Eine weiße Landkarte bei der Endlagersuche ist das nicht - dazu müssen die Hohlräume und Strecken unter Tage verfüllt werden«, gab BI-Sprecher Wolfgang Ehmke zu bedenken.

Nun überraschen Atomkraftgegner mit der Idee: Noch ehe »Presslufthammer-Bernhards« Kollegen zu ihren Werkzeugen greifen, noch vor der Abrissparty soll es ein Kulturfest an jenem Ort vieljährigen Protestes geben. Noch vor der Abrissbirne sollen Pinsel geschwungen werden, soll die lange Mauer »künstlerisch gestaltet« werden.

Dazu starten die Bürgerinitiative und die Organisatoren der »Kulturellen Landpartie« - weit über Gorleben hinaus als KLP bekannt - am Freitag vor Pfingsten 2016 ein »Kulturprogramm mit Musik, Ausstellungen und Aktionen«. Deren Höhepunkt, so ist geplant, wird das Bemalen der Mauer sein, die für die Widerständler gegen die Atomanlagen mit vielen Erinnerungen verknüpft ist. An Erstürmungsversuche mittels Holzleitern etwa, an Besetzungen des Geländes und auch an die schon seit langem abgebauten Wasserkanonen, mit denen Wachleute vorrückende Aktivisten einnässen konnten.

Regionale Künstlerinnen und Künstler sowie Kunstschaffende aus ganz Deutschland sollen mitmachen beim Mauerbemalen; Farbe wird gestellt, heißt es, und: Im Laufe des Tages könne »ein Gesamtkunstwerk entstehen, das - der Berliner Mauer gleich - überregionale Anziehungskraft entwickeln wird«.

Damit alle Beteiligten ganz legal und ungestört zu Werke gehen dürfen, haben die Organisatoren mehrere vermeintlich zuständige Stellen gebeten, das Ganze zu genehmigen. Immerhin habe der Tag einen »friedlichen Ansatz«. Als wirklich zuständig erwies sich schließlich das Bundesamt für Strahlenschutz. Es hat bislang weder zugestimmt noch abgelehnt. Die Sache sei noch »in Arbeit« war aus der Behörde zu erfahren.

Selbst wenn das Amt die Aktion billigt, bleibt die Frage: Was soll das Malen, das Schaffen des von den Initiatoren erhofften Gesamtkunstwerks, wenn dieses nur kurz besteht und eines nicht allzu fernen Tages von der Abrissbirne platt gemacht wird, letztlich in der Steinmühle endet? Solch eine Totalzerstörung muss es ja nicht geben, meint Dieter Schaarschmidt vom KLP-Team. Es sei doch denkbar, sagt er im Gespräch mit »nd«, dass sich interessierte Menschen kleine oder auch größere Mauerstücke sichern. Vielleicht sogar ein ganzes Mauersegment zum Aufstellen auf dem eigenen Grundstück.

Nun hoffen Bürgerinitiativler und Landpartie-Planer nur noch auf das amtliche Ja. Und darauf, dass es nicht schon vor Pfingsten für die Kollegen von »Presslufthammer-Bernhard« den Auftrag zum Rattern in Gorleben gibt.

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