Für Luxemburg und Liebknecht
Tausende bei traditioneller Gedenkdemonstration für ermordete Arbeiterführer
Während die Letzten noch mit roten Fahnen und eingerollten Bannern aus dem U-Bahnhof zum Startpunkt am Frankfurter Tor eilen, setzt sich die Spitze der Demonstration bereits langsam in Richtung des Lichtenberger Friedhofs der Sozialisten in Bewegung. Auch in diesem Jahr sind mehrere Tausend Menschen dem Aufruf zur jährlich am zweiten Januarwochenende stattfindenden Luxemburg-Liebknecht-Demonstration gefolgt. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, Mitbegründer der Kommunistischen Partei Deutschlands, waren am 15. Januar 1919 von Angehörigen eines rechten Freikorps erschossen worden.
Vieles an dem Gedenken ist mittlerweile zum eingespielten Ritual geworden. Hände werden geschüttelt, über die Erlebnisse des Jahreswechsels wird sich ausgetauscht. Man kennt sich. Alte Männer mit Fellmützen spazieren neben mitunter leicht übermüdet wirkenden jungen Menschen im sportlichen Antifa-Outfit mit roten Palästinensertüchern. Fetzen von Gesprächen in schwäbischem Dialekt zeugen davon, dass nicht wenige einen weiten Weg mit dem Bus auf sich genommen haben, um zu der Gedenkveranstaltung nach Berlin zu kommen. Arbeiterlieder erklingen zwischen den Zuckerbäckerbauten, anderswo werden kämpferische Parolen gegen den Imperialismus angestimmt. Hinter dem Leitbanner, auf das es neben Luxemburg und Liebknecht auch Lenin geschafft hat, finden sich die verschiedenen Organisationen von der SDAJ über die MLPD bis hin zu kurdischen Gruppen zu mehr oder weniger großen Blöcken zusammen. In gemächlichem Schritt geht es die Frankfurter Allee entlang.
Thematisch dominiert in diesem Jahr der Protest gegen internationale Kriegseinsätze. Noch nie seit Ende des Zweiten Weltkrieges habe es so viele bewaffnete Konflikte gegeben wie heute, schreiben die Organisatoren in ihrem Aufruf. Dafür verantwortlich machen sie die NATO. Aber auch das bestimmende Thema der letzten Zeit, die Flüchtlingsdebatte, geht nicht spurlos an der Demonstration vorbei. Die Flüchtenden würden zu Sündenböcken gemacht. Man demonstriere »gegen die Fluchtursachen und gegen Faschisten - solidarisch mit den Erniedrigten, egal, wo sie geboren sind.« Jeder tut dies auf seine Weise.
Palästinafahnen werden genauso geschwungen wie Fahnen von Nordkorea, Syrien und pro-russischen Separatisten in der Ukraine. Auf einem Transparent wurde zum Boykott Israels aufgerufen, wie die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) berichtete.
Wegen solcher und ähnlicher Vorfälle ist die Demonstration von orthodox-kommunistischen Gruppen in der Berliner Linken nicht unumstritten. Versuche, durch die Organisation eines antiautoritären Blocks inhaltlich zu intervenieren, blieben in den letzten Jahren ohne größere Resonanz. Ein »Gruselkabinett« schreibt Oliver Höfinghoff von der Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus auf Twitter zu der diesjährigen Demonstration. »Ein obskurer Sektenfasching«, kommentiert Klaus Lederer, Vorsitzender der Berliner Linkspartei. Die Spitzen der Partei hatten bereits am Morgen Blumen in dem Rondell mit Gedenksteinen für prominente Sozialisten in Friedrichsfelde niedergelegt.
Gegen Mittag erreichen, auf den letzten Metern die Internationale anstimmend, auch die Demonstranten ihr Ziel. Nachdem sie sich durch die Meile aus Glühwein-, Bratwurst- und Bücherständen vor dem Friedhofstor gekämpft hatten, legen auch sie die vorher von Händlern erworbenen obligatorischen roten Nelken ab.
Anders als in den vergangenen Jahren kam es am Gedenkstein für die Opfer des Stalinismus auf dem Gelände, den viele Teilnehmer als Provokation auffassen, nicht zu Auseinandersetzungen. Es blieb bei grimmigen Blicken und verächtlichem Ausspucken. Eine Männergruppe mit roten Halstüchern ließ es sich nicht nehmen, im Vorbeilaufen demonstrativ Stalin und Mao zu huldigen. Ordner und Politiker der LINKEN wie die Kreuzberger Bundestagsgeordnete Halina Wawzyniak hatten sich zum Schutz rund herum aufgestellt. Auch die Polizei zeigte sichtbar Präsenz und hielt sogar Hunde bereit.
Im Anschluss an Gedenken und Demo hatte die LINKE zusammen mit der Europäischen Linken unter dem Motto »Erkämpft das Menschenrecht: Gegen NATO, Freihandelsdiktate und andere Fluchtursachen« zum politischen Jahresauftakt geladen.
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