Das Wort Würde
Ingolf Bossenz über die Metamorphose eines theologischen Konstrukts
Kritiker der aktuellen Debatte um ein härteres Vorgehen gegen Migranten haben schnell ein allgegenwärtiges Schlagwort zur Hand: die Würde des Menschen, die nun im Gefolge politischer Forderungen in Gefahr sei.
Abgesehen davon, dass bei der tagelangen Verharmlosung und Vertuschung des von zahlreichen Frauen in Köln Erlittenen deren Würde offenbar nicht oberste Priorität hatte: Die Menschenwürde ist und war weder im einen noch im anderen Fall in irgendeiner Weise bedroht. Dieser Begriff klingt nicht nur gewaltig und Ehrfurcht gebietend, er hat es nicht nur in sich, auch der Mensch, jeder Mensch, hat ihn respektive sie in sich.
Die Würde des Menschen gehört zu jenem Teil des jüdisch-christlichen Erbes, auf dessen Grundlage sich das heute weitgehend akzeptierte System der Menschenrechte entfalten konnte. Sie gründet im theologischen Konstrukt des Menschen als gottebenbildlich und ausgestattet mit einer unsterblichen Seele. Diese Würde ist immanent, sie kann weder verliehen noch genommen werden. Weder von einem Staat noch von einem Menschen. Sie ist, wie es im Grundgesetz heißt, »unantastbar«. (Auch als Alibi-Ausdruck.) Da der ohnehin schwer fassbare Begriff der Würde profanisiert und auch banalisiert wurde, wird die aktuelle Debatte mit ihm nicht einfacher. Recht, Gesetz, Lebensart sind in Gefahr. Das ist schlimm genug.
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