LINKE: Schwerster Nazi-Überfall in Connewitz seit der Wende
Hunderte Rechte setzen bei Leipziger Krawallen Autos und Wohnung in Brand / DJV verurteilt rechten Übergriff auf MDR-Journalistin / Polizei nimmt von über 200 »rechts motivierten Gewalttätern« Personalien auf / 3.500 protestieren gegen Pegida-Aufmarsch
Update 16.50 Uhr: Sächsische Verfassungsschutz unter Druck
Nach dem rechten Hooligan-Überfall im Leipziger Stadtteil Connewitz steht der sächsische Verfassungsschutz in der Kritik. »Wie kann es sein, dass ein Mob von 250 gewaltbereiten Nazis Connewitz zerstört, ohne dass der Verfassungsschutz vor dieser rechten Gefahr warnt?«, fragte die sächsische SPD-Generalsekretärin Daniela Kolbe am Dienstag. Die Grünen-Fraktion forderte den Rücktritt von Verfassungsschutz-Präsident Gordian Meyer-Plath. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) wies die Vorwürfe als unbegründet zurück.
Laut Kolbe hatten Neonazis im Vorfeld bundesweit massiv mobilisiert - und der Verfassungsschutz wolle davon nichts gemerkt haben. Es sei ihr unerklärlich, wie es zu solch einer fatalen Fehleinschätzung kommen konnte, erklärte die SPD-Generalsekretärin. Es sei nicht das erste Mal, dass der Verfassungsschutz von nichts gewusst habe oder sich in massiven Fehleinschätzungen ergehe, erklärte Grünen-Innenexperte Valentin Lippmann.
LfV-Sprecher Martin Döring sagte, die Kritik am Verfassungsschutz sei unbegründet und gehe von fehlgeleiteten Annahmen aus. Das Landesamt habe die Polizei bereits am Freitag vergangener Woche informiert, dass aufgrund der Mobilisierungsaufrufe »mit der Teilnahme von zahlreichen Rechtsextremisten, insbesondere aus dem subkulturellen, gewaltbereiten Milieu und der Hooligan-Szene zu rechnen« sei.
Update 16.20 Uhr: Sicherheitspersonal begleitet künftig MDR-Personal
Nach dem Angriff auf eine Reporterin bei der »Legida«-Demonstration in Leipzig hat der MDR Konsequenzen angekündigt. Mit dem tätlichen Angriff auf eine Kollegin sei am Montagabend eine Grenze überschritten worden, erklärte MDR-Intendantin Karola Wille am Dienstag. Der Sender werde sich jedoch nicht einschüchtern lassen und weiter berichten. MDR Info erklärte, künftig würden Reporter bei ähnlichen Einsätzen von Sicherheitspersonal begleitet.
Die Sachsen-Korrespondentin des Nachrichtenradios MDR Info, Ine Dippmann, wurde nach Senderangaben massiv angegriffen. Ihr wurde demzufolge das Handy aus der Hand geschlagen, danach bekam sie einen Schlag ins Gesicht. Außerdem wurde sie beschimpft. Die Reporterin erstattete noch am Abend Anzeige. »Wir haben beschlossen, Reporterinnen und Reporter bei solchen Einsätzen künftig generell von Sicherheitspersonal begleiten zu lassen«, erklärte Jana Hahn, Hörfunkchefin der Hauptredaktion Information.
Update 15.30 Uhr: Schwerster Nazi-Überfall seit der Wende
Sachsens LINKE hat die rechten Krawalle als den »schwersten Nazi-Überfall in Connewitz seit der Wende« bezeichnet. Bereits in den 90er Jahren war der alternativ geprägte Stadtteil Ziel zahlreicher rechter Aufmärsche und Attacken. Die LINKE wirft nun vor allem der CDU vor, über Jahrzehnte diese alternative Kultur als Feindbild etabliert zu haben, da das Leipziger Viertel nicht den verengten Vorstellungen der Konservativen von Heimat entspreche. Auf dem Wohn- und Lebensumfeld der Connewitzer »trampeln nun Hooligans, deren Verflechtungen mit Nazi-Strukturen bekannt sind, mit Gewalt und Zerstörungswut herum«, kritisiert Sachsens LINKEN-Chef Rico Gebhardt.
Die Neonazis würden sich nun offenbar als Vollstrecker dieses Weltbildes fühlen. »Ich erwarte von der CDU-Landtagsfraktion, dass sie nun zur Umkehr bereit ist und das Thema ‘rechte Gewalt’ auf die Tagesordnung der nächsten Landtagssitzung setzt«, forderte Gebhardt.
Die aus Leipzig stammende Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (ebenfalls LINKE) sagte, Legida habe ein weiteres Mal gezeigt, wes Geistes Kind sie seien und verwies auf die hetzerischen Reden, die während des Aufmarsches gehalten wurden. »Nicht zuletzt der Auftritt der rechten Hooligan-Band Kategorie C, die sich auch beim Aufmarsch von Hogesa in Köln im Oktober 2014 ein Stelldichein gab, zeigt die tiefere Verbundenheit der *gida-Bewegung mit gewaltbereiten neonazistischen Akteuren und Einstellungen«, so Nagel.
Update 15.00 Uhr: DJV verurteilt rechten Übergriff auf MDR-Journalistin
Am Rande des Legida-Aufmarsches am Montag in Leipzig ist es zu einem Übergiff auf eine Journalistin des MDR gekommen. Der Mitteldeutsche Rundfunk berichtete über den Kurznachrichtendienst Twitter, dass eine Reporterin am Rande der Demonstration von einer Frau ins Gesicht geschlagen worden sei. Den Eingang einer entsprechenden Anzeige konnte die Polizei am Dienstag zunächst noch nicht bestätigen.
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) verurteilte die mutmaßliche Attacke. »Der Legida-Aufmarsch wurde mit Unterstützung Dresdner Pegida-Vertreter erneut genutzt, um gegen demokratische Institutionen sowie die Medien zu hetzten«, warnte der Verband. Die Attacke sei eine unmittelbare Folge der seit einem Jahr anhaltenden Pegida-Hetze.
Update 14.15 Uhr: Fußball-Oberligist Lok Leipzig distanziert sich rechten Hooligans
Fußball-Oberligist 1. FC Lok Leipzig hat sich von den rechten Ausschreitungen in Connewitz distanziert. »Wir verabscheuen diese Gewalttaten auf das Schärfste! Diese Kriminellen, die dort am Werk waren, sind keine Lok-Fans! Sie verkörpern nicht die Werte unseres Vereins - weder nach innen noch nach außen«, teilte der Oberliga-Spitzenreiter am Dienstag mit. Laut Polizei-Angaben waren unter den angreifenden Neonazis auch einige Täter aus dem Umkreis des Traditionsvereins. Bei schweren Ausschreitungen wurden am Montagabend etliche Geschäfte und gastronomische Einrichtungen beschädigt und teilweise verwüstet.
Der Verein will mit der Polizei bei der Aufklärung zusammenarbeiten und dann Konsequenzen ziehen. Er wolle »Hausverbote gegen all diejenigen verhängen, die das Image unseres Vereins in aller Öffentlichkeit mit Dreck besudeln«, hieß es weiter.
Update 14.00 Uhr: Neonazis wollten mit Überfall Ängste schüren
Der Demokratieforscher Oliver Decker von der Universität Leipzig wertet die rechten Krawalle in Leipzig vom Montagabend als Versuch von Neonazis, Ängste in der Bevölkerung zu schüren. »Man sollte nicht unbedingt die Unterscheidung zwischen Hooligans und Rechtsextremisten treffen. Es gibt eine sehr hohe Überschneidung zwischen beiden Gruppen«, sagte Decker am Dienstag in Leipzig. »Ich denke, das war gestern Abend der Versuch, an Orten, die bisher nicht als ‘nationalbefreite Zone’ oder Angstraum gelten, ein Gefühl der Bedrohung zu erzeugen.«
Decker sieht auch einen Zusammenhang zwischen Pegida/Legida und den rechten Schlägern. Die fremdenfeindlichen Bündnisse schafften den Hintergrund, den »Möglichkeitsraum« für das Handeln der Hooligans. Pegida/Legida verlangten unter dem Deckmäntelchen der demokratischen Partizipation eine stärkere Führung, eine stärkere Macht - was letztlich antidemokratisch sei. Decker ist Vorstandssprecher des Kompetenzzentrums für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung der Universität Leipzig.
Update 13.45 Uhr: Oberbürgermeister verurteilt rechte Krawalle
Leipzigs Oberbürgermeister Burghard Jung (SPD) hat die Ausschreitungen von rechtsextremen Hooligans als »Straßenterror« verurteilt. »Es ging um nackte Gewalt, sonst nichts«, erklärte Jung am Dienstag. Der Rechtsstaat müsse nun klare und deutliche Konsequenzen folgen lassen.
»Nachdem Tausende in der Innenstadt friedlich für Offenheit und Toleranz demonstriert haben, sind Neonazis und Hooligans randalierend durch Connewitz gezogen und haben die menschenverachtenden Legida-Aufrufe in die Tat umgesetzt«, kritisierte Jung. Extremisten von rechtsaußen hätten »mit offenem Straßenterror« versucht, Angst und Schrecken zu verbreiten. Es gelte jetzt, ein Aufschaukeln der Situation zu verhindern.
Zuletzt war es Mitte Dezember in Leipzig am Rande einer Demonstration von Rechtsextremisten zu Ausschreitungen linker Gewalttäter gekommen. Dabei waren Dutzende Polizisten verletzt worden.
Pegida: Rechte Hools randalieren in Connewitz
Berlin. Der Leipziger Pegida-Ableger trifft sich zum »Jahrestag« - und rechte Hooligans ziehen danach randalierend durch den für seine linke Szene bekannten Stadtteil Connewitz. Nach Angaben der Polizei setzten rechte Gewalttäter mehrere Autos in Brand, zündeten Pyrotechnik und zerschlugen Dutzende Schaufensterscheiben. Auch sei versucht worden, Barrikaden zu errichten. Ein Brand in einer Dachgeschosswohnung soll ebenfalls von einer von Randalierern abgeschossene Feuerwerksrakete ausgelöst worden sein. Laut einer Twitter-Meldung des Vereins »Roter Stern Leipzig« haben Rassisten zudem versucht, die im Stadtteil Connetwitz liegende Gaststätte »Fischladen« anzugreifen.
Die Polizei kesselte den rechten Mob ein und nahm von 211 Verdächtigen die Personalien auf. Viele seien bereits als »rechtsmotiviert und/oder Gewalttäter Sport« - also Hooligans - aktenkundig, sagte ein Sprecher. Die Taten »erfüllten in Gänze den Tatbestand des schweren Landfriedensbruchs«. 57 Straftaten wegen Verstoßes gegen das Versammlungs-, Waffen-, Sprengstoff- und Betäubungsmittelgesetz seien festgestellt worden. Als die Verdächtigen zur Polizeidirektion gebracht werden sollten, sei ein Bus attackiert und erheblich beschädigt worden - offenbar von linken Demonstranten. Fünf Polizisten wurden den Angaben zufolge bei dem Einsatz verletzt. Zunächst hatte die Polizei auch von Ausschreitungen im Stadtteil Plagwitz berichtet.
Beim Bündnis Dresden Nazifrei hieß es am Montagabend: »Wir begrüßen, dass von Seiten der Polizei nun endlich auch mal konsequent gegen rechte Gewalttäter vorgegangen wird und hoffen, dass diese entsprechend ihren Taten abgeurteilt werden. Fraglich ist jedoch noch, ob der Angriff in Connewitz nicht hätte verhindert werden können. Wurde er doch von den Hools als ‘Angriff auf Leipzig’ vorher im Netz großspurig angekündigt«, so das Bündnis.
Mithilfe der rechten Dresdner Pegida-Bewegung und des Chemnitzer Ablegers Cegida, die ihre Anhänger nach Leipziger gerufen hatten, hatte Legida zuvor nach Schätzungen der Gruppe »Durchgezählt« bei strömendem Regen bis zu 3.400 Anhänger auf die Straße mobilisiert. Der Legida-Anführer Markus Johnke kündigte dabei an, künftig nur noch einmal im Monat aufzumarschieren. Der Anführer der Dresdner Pegida-Szene Lutz Bachmann will offenbar einen europaweiten Aufmarsch aller rechten Pegida-Ableger am 6. Februar organisieren. Die Dresdner Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling verunglimpfte muslimische Flüchtlinge in Leipzig als »Sex-Terroristen«.
An verschiedenen Gegenkundgebungen - unter anderem hatte Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) zu einer Lichterkette aufgerufen - beteiligten sich ebenfalls etwa 3.500 Menschen. Auf dem Innenstadtring bildeten Gegendemonstranten eine Lichterkette für Weltoffenheit und Toleranz. Zu der Lichterkette hatte ein breites Bündnis aus Politik, Gewerkschaften, Wirtschaft, Kultur und Vereinen sowie SPD, Grüne und Linke aufgerufen. Außerdem gab es mehrere Gegendemos zu Legida. »Uns eint: Das Nein zu jeder Form von Gewalt. Das Nein zu jedem Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Ich glaube, wir tun gut daran, ein solches Zeichen aus unserer Stadt herauszusenden«, sagte Oberbürgermeister Jung. »Wir müssen solange auf die Straße gehen, wie Menschen rassistisch argumentieren«, sagte Jung auf der Abschlusskundgebung. Sachsen habe »ein Problem mit Fremdenfeindlichkeit« und Nachholbedarf in Sachen Offenheit und Toleranz. Er verurteilte zugleich jegliche Form von Gewalt. Gewalt sei »das falsche Mittel in einer Demokratie«.
Auch die Staatsminister für Integration und Justiz, Petra Köpping (SPD) und Sebastian Gemkow (CDU), sowie Vizeministerpräsident und Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) reihten sich in die Lichterkette ein. Dulig machte die fremdenfeindlichen »Gidas« mitverantwortlich für die Gewalt. »Den Vorwurf mache ich Legida, Pegida und Co., dass eine Verrohung in dieser Gesellschaft stattgefunden hat, die man in Sprache und eben auch in Gewalttaten nachempfinden kann.«
Auf die Bahnstrecke Dresden - Leipzig war schon kurz vor Beginn des rechten Aufmarsches ein Brandanschlag verübt worden. Ein Signal an der Strecke sei in Brand gesetzt worden, an zwei weiteren seien Brandsätze entdeckt worden, sagte eine Sprecherin der Bundespolizei. Die Vermutung liege nahe, dass der Anschlag im Zusammenhang mit dem Legida-Aufmarsch stehe. Nach kurzer Unterbrechung wurde die Strecke aber noch am Abend wieder freigegeben. Agenturen/nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.