Weiße Frau, schwarze Hände

Jürgen Amendt über das umstrittene »Focus«-Titelbild zu den Ereignissen in Köln

  • Lesedauer: 3 Min.

Focus-Online ist zur Zeit das reichweitenstärkste deutschsprachige Nachrichtenangebot im Netz. Erreicht hat das der digitale Bruder des Holzmediums »Focus« durch eine konsequente Beschränkung auf Boulevard-Themen - und dem Click-Garanten Sex. Mit Überschriften wie »Yoni-Massage stimuliert 8000 Lustpunkte der Frau« hat man 2015 dem bisherigen Marktführer im Bereich »Schmuddel-Journalismus«, Bild-Online, übertrumpft.

Vielleicht also waren die Redakteure des Print-»Focus«, dessen Auflage seit Jahren sinkt und längst wieder deutlich unter der des »Spiegel« und des »Stern« liegt, auf die Kollegen aus der digitalen Abteilung einfach nur neidisch, als sie sich Ende vergangener Woche zu einem Titelbild entschieden, auf dem eine blonde nackte Frau zu sehen ist, die ihre Arme schützend vor ihre primären und sekundären Geschlechtsmerkmale hält; notdürftig verdeckt werden diese zudem durch den Schriftzug: »Frauen klagen an. Nach den Sex-Attacken von Migranten: Sind wir noch tolerant oder schon blind?« Der Körper der Frau ist mit dunklen Handabdrücken übersät. Mit Fug und Recht kann man spätestens seit einer Woche den »Focus« also als »Schmuddel-Illustrierte« bezeichnen.

Das Titelbild erzeugte in den sozialen Netzwerken das, was man neudeutsch einen Shitstorm nennt. Auf Twitter hieß es beispielsweise »Schwarze Tatschpfoten auf weißer Nacktfrau. Zu blöd, um es zu erfinden: Focus, das un-parodierbare Trottelmagazin« oder »Fucken, Fucken, Fucken und immer an den Leser denken«. Der Chefredakteur der Schmuddel-Illustrierten, Ulrich Reitz, verteidigte sich gegen die Kritik, indem er eine Erklärung verbreiten ließ. »Auf Twitter wurde heute das Cover unserer aktuellen Ausgabe kritisiert. Wir hatten uns dazu entschieden, symbolisch darzustellen, was in Köln geschah. Deshalb zeigen wir, stellvertretend für die vielen weiblichen Opfer, eine zum Sex-Objekt degradierte und entwürdigte Frau - die aber dennoch entschlossen ist, sich zu wehren.« Inwieweit die Darstellung einer von schwarzen Männerhänden begrapschten Frau in eindeutig passiver Körperhaltung etwas mit Wehrhaftigkeit zu tun hat, bleibt das Geheimnis von Reitz.

Kritik gibt es aber nicht nur am Cover, sondern auch daran, wie der »Focus« im Innenteil der Ausgabe Aussagen prominenter Frauen verwendet hat. So bediente man sich eines öffentlichen Postings der Journalistin Hatice Akyün, die u.a. für den Berliner »Tagesspiegel« schreibt. Akyün ist über die ungefragte Verwendung ihrer Stellungnahme »sehr wütend«, wie sie gegenüber dem »Tagesspiegel« erklärte. »Mit vollem Bewusstsein und ohne Rücksicht hat der ›Focus‹ meine Worte gedreht und geschüttelt, damit sie in ihren rassistischen Kontext passen«, sagte Akyün der Berliner Regionalzeitung.

Gegen das »Focus«-Titelbild sind beim Deutschen Presserat mittlerweile zahlreiche Beschwerden eingegangen. Wegen einer ähnlichen Illustrierung der Berichterstattung über die Vorfälle in Köln hat sich auch die »Süddeutsche Zeitung« (SZ) Kritik und Beschwerden beim Presserat eingehandelt. In der Ausgabe vom vergangenen Wochenende war auf der Titelseite in Form eines Scherenschnitts der Unterkörper einer Frau zu sehen, dem eine schwarze Hand in den Schritt greift. Im Gegensatz zum »Focus« hat sich die SZ allerdings für diese Darstellung entschuldigt. Bereits am Sonntag distanzierte sich Chefredakteur Wolfgang Krach auf Facebook. Die Darstellung bediene »stereotype Bilder vom ›schwarzen Mann‹, der einen ›weißen Frauenkörper‹ bedrängt.« Die Redaktion bedauere, »wenn wir durch die Illustration die Gefühle von Leserinnen und Lesern verletzt haben, und entschuldigen uns dafür«, erklärte Krach.

Der Deutsche Presserat erklärte, dass er in den nächsten Tagen entscheiden werde, ob sich der Beschwerdeausschuss des Gremiums mit den beiden Fällen befassen wird.

Übrigens, liebe »Focus«-Redakteure, die Frage, ob ihr schon blind seid, hätten eure Großväter noch mit Leichtigkeit beantworten können. Natürlich seid ihr das, denn vom onanieren wird man blind.

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