Alarm im Abgaskessel
Umweltschützer: Stuttgart darf nicht das »deutsche Peking« werden
Stuttgart. Als erste Stadt in Deutschland hat Stuttgart einen speziellen Feinstaubalarm ausgerufen. Seit Montag appelliert die Stadt an ihre Bürger, in den nächsten Tagen freiwillig aufs Auto zu verzichten und auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Seit Sonntagabend sollen außerdem sogenannte Komfortkamine, die lediglich als zusätzliche Wärmequelle dienen, nicht genutzt werden. Die Landeshauptstadt Baden-Württembergs kämpft seit langem mit erhöhten Feinstaubwerten. Umweltschützer sehen die jetzige Aktion aber kritisch.
Aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe ist der Feinstaubalarm eine »Placebo-Maßnahme« ohne Wirkung. »Appelle bringen nichts«, sagte Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart schreckten mit Blick auf die Autoindustrie vor obligatorischen Schritten gegen die gesundheitsschädlichen Emissionen zurück, meinte Resch. »Das ist ein Kniefall vor Daimler.« Der Automobilclub ACE forderte Preisanreize, um Pendler zum Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen. Die Stuttgarter Verkehrsbetriebe bieten bereits einen zusätzlichen Freimonat für Abo-Einsteiger an sowie verbilligte Tickets während der ersten beiden Feinstaubalarme.
Der Naturschutzbund (Nabu) meinte: »Stuttgart darf nicht das deutsche Peking werden.« Wenn Freiwilligkeit nicht zum Ziel führe, müssten Verbote ausgesprochen werden, sagte Landeschef Andre Baumann. In Peking hatte starker Smog den Menschen zuletzt im Dezember über viele Tage zu schaffen gemacht. Zeitweise wurde in der chinesischen Hauptstadt die höchste Smog-Alarmstufe »Rot« in Kraft gesetzt, was unter anderem Fahrverbote zur Folge hatte.
Seit Jahren ringen die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg um Lösungen zur Verringerung der Luftverschmutzung, auch die EU macht Druck. Denn der zulässige EU-Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft wird in Stuttgart regelmäßig überschritten. Vor allem die Lage in einem Talkessel sorgt dafür, dass bei einer bestimmten Wetterlage der Luftaustausch problematisch ist.
Eine zweistellige Zahl von Menschen in Stuttgart sterbe jedes Jahr vorzeitig wegen hoher Stickstoffdioxid- und Rußwerte, sagte Umwelthilfe-Geschäftsführer Resch. Ein besonderes Risiko trügen dabei Kinder, Kranke und alte Menschen. Der Verband klagt vor Gericht gegen das Land, um in der aus seiner Sicht »schmutzigsten Stadt Deutschlands« Fahrverbote für Dieselfahrzeuge durchzusetzen. Ein Urteil wird nach Auskunft von Resch noch in diesem Jahr erwartet. dpa/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.