Crowdworking, aber fair

IG Metall will neue Beschäftigungsformen angehen

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Während in gewerkschaftlichen Bastionen wie der Stahlindustrie mit hohem Organisationsgrad die Zahl der Arbeitsplätze weiter schrumpft, stellt die Digitalisierung in der Arbeitswelt die Gewerkschaften vor neue gewaltige Probleme. So wendet sich jetzt auch die IG Metall den mit dem Einzug der Plattformökonomie in die Arbeitswelt einhergehenden Herausforderungen zu. Bei diesem als »Crowdworking« bzw. »Crowdsourcing« bezeichneten Phänomen werden Arbeitsaufträge über digitale Plattformen innerhalb, vor allem aber außerhalb einzelner Unternehmen über das Internet an Externe vergeben. »Damit sind erhebliche Risiken für die Beschäftigten verbunden, weil diese Arbeitsform nicht reguliert ist und die Plattformbetreiber die Arbeitsbedingungen nach ihren eigenen Vorstellungen bestimmen«, warnt IG-Metall-Vize Christiane Benner. »Wenn wir nichts unternehmen, öffnet das einem Unterbietungswettbewerb bei den Arbeitsbedingungen Tür und Tor. Wir wollen keine Amazonisierung der Arbeitswelt«, sagte sie am Mittwoch in Frankfurt am Main.

Crowdsourcing erfasst zunehmend nicht nur klassische Soloselbstständige, die am eigenen PC anspruchsvolle Aufträge abarbeiten und in Konkurrenz mit anderen Fachleuten über weltweite Plattformen ihre Dienste anbieten. Mittlerweile gibt es Crowdworking-Angebote nicht nur für Designer, Texter oder Programmierer, sondern für die gesamten Wertschöpfungsketten in den von der IG Metall vertretenen Branchen. Aus gewerkschaftlicher Sicht gehe es nicht um eine pauschale Ablehnung von Crowdworking, sondern nur »gegen dessen Missbrauch«. Vor allem müssten die Arbeitsbedingungen fair gestaltet und die Beschäftigten entsprechend organisiert werden. »Wir akzeptieren nicht, dass auf dem Rücken von abhängig Beschäftigten Kosten gespart werden sollen und reguläre durch prekäre Beschäftigung ersetzt wird. Wir wollen keine rechtsfreien Räume wie im Silicon Valley«, so Benner.

Weil Crowdworking ein weltweites Phänomen ist, sucht die IG Metall das Gespräch mit bundesdeutschen Plattformbetreibern. Crowdworker können sich über die neue Internetseite www.faircrowdwork.org vernetzen und informieren. Hier können Sie auch ihr Einkommen abgleichen oder rechtliche Fragen bei Problemen rund um den Berufsalltag nachschlagen. Für Ratsuchende steht ein Servicetelefon zur Verfügung.

Per Satzungsänderung hatte die IG Metall bei ihrem Gewerkschaftstag im Oktober den Weg für den Eintritt von Soloselbstständigen gebahnt. »Das gibt es bei uns schon seit vielen Jahren«, sagt Nadine Müller vom Bereich Innovation und Gute Arbeit in der Berliner ver.di-Zentrale auf nd-Anfrage und verweist auf entsprechende innergewerkschaftliche Strukturen für Selbstständige und die längst etablierte Beratungsplattform www.mediafon.net. Im vergangenen Jahr kam eine informative Themenseite zu fairem Crowdworking im Onlineangebot von ver.di dazu. Zu den brennendsten Problemen im Crowdworking gehöre, dass hier geltendes Recht der Beschäftigten keine Anwendung fände. »Es gibt oft keinen Kündigungsschutz, keinen Urlaubsanspruch, keine innerbetrieblichen Weiterbildungsmöglichkeiten. Im Krankheitsfall und im Alter sind die Betroffenen schlecht abgesichert«, beklagt Müller. ver.di fordert eine Erwerbstätigenversicherung für alle, die prekär Beschäftigte und Soloselbstständige einschließe und sich auch aus Sozialversicherungsabgaben der Auftraggeber und Plattformbetreiber speise.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.