Unverständnis über Urteil nach Nazi-Überfall in Erfurt
Gericht kann keine rechte Gesinnung erkennen - obwohl der Angeklagte selbst angeblich aus der rechten Szene aussteigen will
Erfurt. Knapp vier Jahre nach dem Überfall auf das Erfurter Kunsthaus hat das Landgericht Erfurt das Strafmaß für einen der verurteilten Täter reduziert. In einer Berufungsverhandlung legte das Gericht am Donnerstag zwei Jahre Haft auf Bewährung als Strafe für den 25-Jährigen fest, wie eine Sprecherin sagte. Außerdem muss er 200 Stunden in einer Flüchtlingsunterkunft ableisten. Das Erfurter Amtsgericht hatte ihn 2014 in erster Instanz wegen Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt, dagegen hatte der Angeklagte Berufung eingelegt.
Die Reduzierung des Strafmaßes stieß nicht nur bei der Staatsanwaltschaft und den Anwälten der Nebenkläger auf völliges Unverständnis – besonders die Begründung des Gerichts, dass dem Angeklagten zur Tatzeit »keine rechte Gesinnung nachzuweisen sei.« In einer Mitteilung des Kunsthauses Erfurt wird das Gericht zitiert: »Wenn Ali Baba und die 40 Räuber gekommen wären, hätte sich der Angeklagte auch ihnen angeschlossen.« Eine rechte Überzeugung wäre ihm nicht nachzuweisen, er hätte überhaupt keine Überzeugung. Dabei habe der Angeklagte selbst berichtet, dass er sich mittlerweile von der rechten Szene abgewendet habe und sich am Aussteigerprogramm EXIT beteiligen will.
Bis heute leiden einige Opfer des Überfalls an dessen Folgen. Die Angreifer waren mit äußerster Brutalität vorgegangen. Nachdem sie mit Nazi-Parolen bei einer Ausstellungseröffnung provozierten, griffen sie die Besucher und Betreiber des Kunsthauses und später auch Polizisten an: »Der Galerist wurde von mehreren Personen zusammengeschlagen und ihm das Nasenbein gebrochen, der Galeristin eine volle Bierflasche auf dem Kopf zerschmettert. Eine auf dem Heimweg befindliche Besucherin wurde im Beisein ihres Kindes mit dem Kopf wiederholt auf die Kühlerhaube eines parkenden Autos geschlagen, sowie weitere Besucher durch Schläge und Flaschen verletzt«, erinnert das Kunsthaus. Später wurde noch eine Polizistin so schwer verletzt, dass sie bis heute nur bedingt arbeitsfähig ist. nd/mit dpa
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