Ältere zieht es aus dem Dorf - ins nächste Versorgungszentrum
Mittelgroße Städte können aus dem Strukturwandel im Osten profitieren
Die Bevölkerungsentwicklung in den neuen Bundesländern bleibt ein Dauerthema. Am Dienstag hat das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung seine Studie »Im Osten auf Wanderschaft« vorgestellt. Diese untersucht die Zu- und Fortzüge in und aus ostdeutschen Orten von 2008 bis 2013 unterteilt in verschiedene Altersklassen. Aus den Erhebungen lesen die Forscher eine Trendwende heraus: Die Umzüge von Ost nach West und die von West nach Ost haben sich demnach 2013 in der Summe erstmals ausgeglichen. Die über 64-Jährigen Umzugswilligen - in der Studie heißen sie Ruhestandswanderer - seien sogar Trendbrecher, denn sie waren 2008 die erste Altersgruppe, in der mehr Menschen von West nach Ost zogen als in die umgekehrte Richtung. Diese entschieden sich vorzugsweise für Orte an der Ostsee, sowie die Städte Görlitz und Weimar. Von diesem Wandel gehe eine Strahlkraft aus, frohlocken die Studienautoren. Denn auch Jüngere entdeckten diese Orte langsam für sich.
Dennoch sind die Älteren deutlich sesshafter. Ihr Anteil beträgt nur sieben Prozent an der innerostdeutschen Migration. Eine genauere Untersuchung der ostdeutschen Ruhestandswanderer zeigt, dass sie meist innerhalb der neuen Bundesländer und bevorzugt in ihrer Region umziehen. Sie suchen nach einer altersgerechten Infrastruktur mit Grundlegendem wie Post, Ärzten und Einkaufsmöglichkeiten - aber auch nach einem größeren kulturellen Angebot. Gemeinden mit Bevölkerungszahlen von 5000 bis 10 000 verzeichnen dabei die meisten Zuzüge, aber auch fast genauso viele Fortzüge. Die tatsächlichen Gewinner sind mittelgroße Städte mit 10 000 bis 50 000 Einwohnern, in denen für die über 64-Jährigen eine dauerhafte Befriedigung ihrer Bedürfnisse geboten scheint. Je älter die Umziehenden werden, desto näher bleiben sie dabei an ihrer Heimatgemeinde: Die Hälfte der über 79-Jährigen wechselt nur in eine andere Gemeinde ihres Kreises.
Bei den »Empty-Nest-Wanderern« (zu Deutsch: Leeres-Nest-Wanderer), wie die 50- bis 64-Jährigen genannt werden, deren Kinder aus dem Haus sind, stehen die Großstädte ab 100 000 Bewohner auf Platz eins der Umzugsziele. Gemeinden bis unter 5000 Einwohner verzeichnen im Erhebungszeitraum eine stärker werdende Nettoabwanderung. Die für die Ruhestandswanderer attraktiven mittelgroßen Städte mit Bevölkerungszahlen von 10 000 bis 50 000 wurden innerhalb des Erhebungszeitraums auch für die Empty-Nest-Wanderer interessanter: Sie mauserten sich von Nettoabwanderungsgebieten zu den zweitattraktivsten Zielen eines Ortswechsels. Auch die Versorgung spielt für 50- bis 64-Jährige eine immer größere Bedeutung.
Durch den Zuzug von Älteren in mittelgroße Städte ergeben sich auch für Jüngere neue Chancen. »Die Städte sollten sich dabei nicht scheuen, ihr altersfreundliches Umfeld nach außen zu vermarkten«, rät Manuel Slupina, Mitautor der Studie. »Die Befürchtung, dies könnte potenzielle jüngere Zuwanderer vergraulen, ist fehl am Platz.« Im Gegenteil: Diese können sogar von den Älteren profitieren. Denn sie schaffen eine Nachfrage nach Dienstleistungen und damit neue Arbeitsplätze für die Jüngeren etwa für Friseure, Kulturschaffende, im Handel und in der Pflege.
Derweil dürfe man aber auch die Dörfer nicht aufgeben. Dort müssten »pfiffige Lösungen« her, sagt die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD). Ein 50-Personen-Bus müsse nicht regelmäßig mit nur einem Fahrgast unterwegs sein. Solche Umstände hätten zur Folge, dass der öffentliche Nahverkehr komplett eingestellt würde. Warum also nicht einfach auf Kleinbusse umsteigen?
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