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Die Angst geht um
Claudia Krieg wundert sich nicht über die Abwehrreflexe gegen Berlin Autofrei
Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt, hieß es früher immer. Und wer sein Auto liebt, was macht der? Lässt der es dann stehen? Schön wär’s. Nein, wer sein Auto liebt, der fährt damit zum Supermarkt und in den Urlaub. Und ja, auch zum Arzt. Aber sind das dann die Hunderttausenden Berliner*innen, die diese Dinge wirklich nicht mit dem öffentlichen Nahverkehr, dem Fahrrad, Bringdiensten oder mit dem Zug, dem Taxi erledigen könnten?
Meine Wahrnehmung ist eine andere. Wer in Berlin das geliebte Fahrrad stehen lässt, tut das, weil er sich seines Lebens nicht mehr sicher sein kann. Und das Auto die meiste Zeit stehen lassen eher nur diejenigen, die es zwar kaum brauchen, aber sich (noch) nicht davon trennen können und das Glück haben, im Hauptstadt-Nahverkehr gut angebunden zu sein.
Die aufgepumpt wirkende Umfrage des ADAC zum Gesetzesvorhaben einer deutlichen Reduzierung des individuellen, privaten Autoverkehrs in Berlin, in dem auf 3,8 Millionen Menschen eine Million Autos kommen, malt erst einmal den Teufel an die Wand: Alles wird verboten, niemand darf mehr irgendwas. Und man ist sich nicht zu schade, die mobilitätseingeschränkten Menschen für die Argumentation heranzuziehen. Dabei wirbt der Automobilclub selbst für eine Verringerung des Verkehrs und für Konzepte, die endlich eine Mobilitätswende bewirken können. Schießt hier der ADAC mit Kanonen auf Spatzen?
Selbiges wirft der Vorstand der Autofrei-Initiative vor. Dabei wird nicht ein Gegeneinander der verschiedenen Konzepte für eine weniger verkehrs- und schadstoffbelastete Hauptstadt mit weniger Verkehrstoten, weniger Stau und mehr Lebensqualität sorgen, sondern nur ein Miteinander.
Solche Umfragen zeigen nur, wie die Angst umgeht, dass man angesichts des vor sich hin siechenden Planeten auch nur eine einzige Gewohnheit, die sich in den Mantel der bürgerlichen Freiheit hüllt, ändern müsste. Sich dagegenstemmen zu können, ist genauso ein Privileg, wie diese Gewohnheit überhaupt haben zu können. Und auch deshalb stehen wir bei der Klimaerwärmung da, wo wir stehen.
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