Urteil: »Extremismusklausel« gegen »Roter Baum« rechtens

Urteil des Bundesverwaltungsgericht: Stadt Dresden durfte Förderung an Bedingungen knüpfen -Jugendhilfeausschuss der Stadt hatte geklagt

  • Sven Eichstädt, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Gegendemonstrationen zu Naziaufmärschen im Februar 2011 beschäftigen auch fünf Jahre später noch die Gerichte. Das Bundesverwaltungsgericht entschied am Donnerstag, dass eine Reaktion des Dresdner Stadtrats rechtens war: Er wollte einem Jugendzentrum die Förderung verwehren.

Die alliierten Luftangriffe vom 13. Februar 1945 auf Dresden geben jedes Jahr Rechtsradikalen Anlass für Aufmärsche in der sächsischen Landeshauptstadt. Im Jahr 2011 ging die Polizei massiv gegen Gegendemonstranten vor, die den Naziaufmarsch mit Blockaden verhindert hatten. Die Polizei ermittelte mit einer Funkzellenabfrage die Verbindungsdaten hunderttausender Handynutzer, was dem Dresdner Polizeichef Dieter Hanitsch das Amt kostete. Das Verfahren mit Durchsuchungen und Beschlagnahmungen beim Jenaer Jugendpfarrer Lothar König nahm seinen Lauf, außerdem durchsuchten am 19. Februar 2011 rund 120 Polizisten rechtswidrig Büros, eine Privatwohnung und eine Anwaltskanzlei des Dresdner Stadtverbands der LINKE.

Ebenfalls am 19. Februar 2011 begann etwas, worüber nun am Donnerstag vor dem Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden war. Da stürmten Polizisten ein Jugendfreizeitzentrum im Dresdner Stadtteil Pieschen, das vom Jugendverein Roter Baum Dresden betrieben wird. Der Vorwurf lautete, der Verein begünstige Straftaten im Zusammenhang mit der Blockade von Naziaufmärschen in Dresden, diese würden hier geplant und koordiniert. Diese strafrechtlichen Ermittlungen nahm der Stadtrat zum Anlass, dem Verein damit zu drohen, die Fördermittel zu widerrufen, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. Deshalb wies der Stadtrat im April 2011 den Jugendhilfeausschuss an, die Förderung an die Bedingung zu knüpfen, dass der Verein nicht an strafrechtlich relevanten Aktivitäten beteiligt gewesen sei.

Doch der Ausschuss weigerte sich und beschloss die Förderung des Roten Baums ohne die Klausel, die der Stadtrat verlangt hatte. Also setzte sich die damalige Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) an ihren Schreibtisch und verfasste Ende April 2011 zwei Briefe an den Jugendhilfeausschuss, in denen sie ankündigte, dass der Stadtrat nun die Förderung selbst beschließen werde – mit der einschränkenden Bedingung des Widerrufs der Förderung. Dies hätte zur Folge gehabt, dass der Rote Baum die Fördermittel zurückzahlen hätte müssen, wenn sich die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft bestätigt hätten. Im Mai 2011 beschloss dann der Stadtrat die Förderung mit der Widerrufsklausel – entgegen des ausdrücklichen Willens des Jugendhilfeausschusses.

Der Ausschuss war derart unzufrieden damit, dass er gerichtlich dagegen klagte. Das Verwaltungsgericht Dresden gab im Dezember 2012 allerdings dem Stadtrat recht, das Oberverwaltungsgericht Bautzen dem Ausschuss im März 2015 nur zu einem kleinen Teil. Vor dem Bundesverwaltungsgericht verlor der Ausschuss nun in letzter Instanz endgültig (Az. 5 C 12.15). Der fünfte Senat entschied, dass das Vorgehen des Stadtrates und von Oberbürgermeisterin Orosz rechtmäßig war. »Der Stadtrat kann Beschlüsse des Jugendhilfeausschusses im Einzelfall erzwingen oder ändern«, sagte der Vorsitzende Richter Jürgen Vormeier. Der Ausschuss hatte seine Klage auf eine Regelung des Sozialgesetzbuchs gestützt, wonach dem Jugendhilfeausschuss das Recht für Beschlüsse zusteht – vergeblich.

»Wir haben hier das Primat der Politik«, ergänzte Vormeier. »Der Stadtrat darf im Grundsatz erst mal alles, solange er nicht das Beschlussrecht des Ausschusses substanziell aushöhlt.« Und das sei hier nicht der Fall. Denn hier sei es nicht um Zustimmung oder Ablehnung einer Förderung gegangen, sondern nur um »eine Modalität der Förderung«. Anwalt Lothar Hermes, der den Ausschuss vertreten hat, befürchtet nun eine ständige tagespolitische Einflussnahme des Stadtrats: »Ich sehe die Gefahr, dass die jeweilige Mehrheit im Stadtrat querschießt und sagt, jetzt ärgern wir den Verein, der uns nicht gefällt.«

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