Pusten lassen statt blitzen

54. Deutscher Verkehrsgerichtstag in Goslar

  • Dr. Claus Dümde
  • Lesedauer: 4 Min.
Von Konsequenzen des Fahrens unter Alkohol im Straßenverkehr bis zu Gefahren von Mega-Containerschiffen reichten die Themen des 54. Deutschen Verkehrsgerichtstags Ende Januar in Goslar.

Die Aufreger: Empfehlungen des Gremiums an den Gesetzgeber, beim Fahren unter Alkohol ertappte Kfz-Führer künftig schon ab 1,1 Promille Blutalkohol zur Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) zu schicken sowie Videoaufzeichnungen vom Verkehrsgeschehen mit Hilfe von Dashcams gesetzlich zu regeln.

In punkto Alkohol waren sich die Experten weitgehend einig: Statt ständig Jagd auf Temposünder zu machen, sollte sich die Polizei lieber verstärkt alkoholisierten Autofahrern widmen, forderte Jörg Elsner, Vorsitzender der AG Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV), noch vor Beginn des Expertentreffens. Hauptursache für Verkehrsunfälle sei nicht überhöhte Geschwindigkeit, sondern Alkohol am Steuer. »Wenn es an Wochenenden nachts verstärkt Pustemarathons gäbe, wäre der Verkehrssicherheit jedenfalls mehr geholfen als mit Blitzmarathons.«

Der Bundesgerichtshof hatte schon 1990 in einem Grundsatzbeschluss den »Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit« auf 1,1 Promille Blutalkohol festgesetzt. Wer unter derartigem oder noch höherem Alkoholeinfluss ein Kfz führt, begeht eine Straftat, die mit Freiheits- oder Geldstrafe bedroht ist und zwingend zum Entzug der Fahrerlaubnis führt. Deren Neuerteilung kann die zuständige Behörde vom Nachweis der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs durch ein entsprechendes ärztliches oder medizinisch-psychologisches Gutachten abhängig machen.

Die »Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik« ist speziell in § 13 der Fahrerlaubnisverordnung geregelt. Danach ist ein Gutachten im Ergebnis einer MPU beizubringen bei Anzeichen für Alkoholmissbrauch, bei wiederholten »Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss« sowie in Fällen, »wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde«.

Nach diesem Wert richten sich die meisten Bundesländer, doch in Baden-Württemberg, Bayern und Berlin gibt es MPU-Anordnungen auch schon nach einer erstmaligen Trunkenheitsfahrt ab 1,1 Promille.

Der Arbeitskreis II in Goslar äußerte nun die »Ansicht«, dass künftig generell »die Anordnung der MPU bei Kraftfahrzeugführern bereits ab 1,1 Promille erfolgen sollte«. Die Begründung dafür ist nicht der erreichte »Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit«, sondern die »Rückfallwahrscheinlichkeit« erneuten Alkoholmissbrauchs, die mit der festgestellten Promillehöhe steige.

Der DAV lehnt diese Änderung ab, die zum drastischen Anstieg der MPU-Anordnungen führen würde, die für die Betroffenen nicht nur äußerst belastend und kostspielig sind - schätzungsweise die Hälfte fällt zunächst durch -, sondern auch juristisch nicht anfechtbar. »Ein Bürger, der einmal mit 1,1 Promille erwischt wird, ist deshalb noch kein notorischer Trinker, der auch zur MPU muss«, sagte Rechtanwalt Elsner. Das sei ein unzulässiger Generalverdacht.

Ein Argument dafür lieferte der MPU-Arbeitskreis in Goslar selbst: Er sehe »keine fachliche Grundlage für die grundsätzliche Annahme von Eignungs- zweifeln … aufgrund einmaliger Trunkenheitsfahrt unter 1,1 Promille«.

Ob und wie Gesetzgeber und Behörden reagieren, ist ungewiss. Sicher fährt man also weiterhin nach dem gängigen Prinzip »Hände weg vom Alkohol oder vom Steuer«.

So einfach wird sich der Streit um »Dashcams« in immer mehr Kraftfahrzeugen auch hierzulande nicht lösen lassen. Denn die Nützlichkeit damit aufgenommener Videos bei der Feststellung des Hergangs und der Schuld bei Verkehrsunfällen und Straftaten ist unbestritten. Doch dürfte es einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz darstellen, wenn bei der ständigen Dokumentation des Verkehrsgeschehens auch personenbezogene Daten der daran Beteiligten ohne deren Wissen und Zustimmung aufgezeichnet werden. Daher drohte das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht schon 2014 Bußgelder bis 300 000 Euro dafür an, Dashcamaufnahmen ins Internet zu stellen. Andererseits ließen zwei bayerische Gerichte solche Aufnahmen als Beweismittel zu.

Da keine klare Rechtslage zur Verwendung von Dashcams und zur Verwertung damit erzeugter Aufnahmen vor Gericht besteht, empfahl der Arbeitskreis VI in Goslar »eine gesetzliche Regelung, die auf der Basis des europäischen Datenschutzrechts möglichst ein einheitliches Schutzniveau innerhalb der EU gewährleistet«.

Statt generellen Verbots oder genereller Zulassung derartiger Aufzeichnungen sei »ein sachgerechter Ausgleich zwischen Beweisinteresse und Persönlichkeitsrecht durch den Gesetzgeber geboten«. Der könnte darin bestehen, dass dies »dann zulässig ist, wenn die Aufzeichnung anlassbezogen, insbesondere bei einem (drohenden) Unfall, erfolgt oder bei ausbleibendem Anlass kurzfristig überschrieben wird«.

Bleibt zu hoffen, dass daraus schnell ein Gesetz wird.

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