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Familiennachzug: Gabriel will Einzelfallentscheidung

Koalition streitet um Umgang mit minderjährigen Flüchtlingen / Fallzahlen ohnehin gering: 2015 bekamen 442 Eltern eine Aufenthaltserlaubnis / Grünen-Politikerinnen: Einschränkung des Familiennachzugs verstärkt das Leid der Flüchtlinge

  • Lesedauer: 3 Min.
Das Kabinett billigte letzte Woche im Asylpaket II einen Gesetzentwurf, der auch den Familiennachzug bei unbegleiteten Minderjährigen mit subsididiärem Schutz für zwei Jahre aussetzt. An dieser Frage entzündete sich nun Streit.

Berlin. Erst stimmt die SPD dem umstrittenen Anti-Asylpaket 2 zu, dann rückt sie von einem Teil der Gesetze wieder ab - sagt dann, man bleibe bei der Zustimmung. Und nun wird der nächsten Haken geschlagen, vom Parteivorsitzenden persönlich: Sigmar Gabriel setzt im Streit über den Familiennachzug minderjähriger Flüchtlinge auf Einzelfalllösungen. »Ich hoffe, dass wir die Kollegen aus der CDU überzeugen können, dass man am Ende nach menschlichem Ermessen entscheiden muss, nach Nächstenliebe und Verantwortungsbewusstsein«, sagte er in Hamburg. Einen ungeregelten Familiennachzug lehnte Gabriel jedoch mit der Behauptung ab: »Die afghanischen Behörden sagen, wenn ihr offensiv den Familiennachzug für unbegleitete Minderjährige anbietet, dann werden viele Eltern ihre Kinder auf eine ganz gefährliche Reise schicken.« Die von Gabriel propagierte Einzelfalllösungen des Familiennachzuges bei unbgleiteten minderjährigen Flüchtlingen stößt sowohl beim Koalitionspartner als auch bei der Opposition auf wenig Gegenliebe.

Auch durch Einzelfallentscheidungen würden nur neue Geschäftsmodelle für Schlepper geschaffen, sagte die CDU-Abgeordnete Nina Warken am Dienstag. Warken äußerte im Deutschlandfunk die Befürchtung, dass sich Schleuser auch wegen Einzelfallentscheidungen ermuntert fühlen könnten, »die Minderjährigen zu schleusen«. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer stellte die Verhandlungen zur Einigung über den Koalitionsstreit generell infrage. Scheuer sagte dem Bayerischen Rundfunk mit Blick auf die Gespräche von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) zur Suche nach einer Einigung: »Die CSU hat einem solchen Verfahren nicht zugestimmt, dass zwei Minister sich noch einmal zusammensetzen.« Dass die SPD nun nach dem Kabinettsbeschluss Anstoß nehme an einer Regelung für den Familiennachzug, sei nicht zu akzeptieren.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte der »Rheinischen Post« vom Mittwoch, mit Einzelfallentscheidungen verkäme das Recht auf Nachholen des engsten Familienkreises »zum Glücksspiel beim Behördengang«. Was Sigmar Gabriel »Nächstenliebe nennt, ist reine Willkür«. Ähnlich äußerte sich Grünen-Parteichefin Simone Peter. Mit der Einschränkung des Familiennachzugs verstärke die Bundesregierung das Leid der Flüchtlinge, kritisierte Peter in Berlin. »Es grenzt an ein Wunder, dass Sigmar Gabriel nach all den Asylrechtsverschärfungen der vergangenen Monate das Wort Nächstenliebe noch ausbuchstabieren kann.«

Die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke erklärte, das Familiennachzugsrecht lasse sich nicht so einfach relativieren, wie es Gabriel wolle. Das Recht solle für alle Flüchtlinge gelten, auch für die mit eingeschränktem Schutz.

Das SPD-geführte Bundesfamilienministerium räumte inzwischen eine Fehleinschätzung bei diesem Verfahren ein. Eine Veränderung im Gesetzentwurf sei dem Ministerium zwar aufgefallen, die Tragweite sei aber anders eingeschätzt worden, sagte eine Sprecherin. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) sollen den Konflikt nun beilegen. Die Union lehnt Zugeständnisse an die SPD bisher ab.

Die Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen ist in Wahrheit sehr gering. Im Jahr 2014 erhielten laut Innenministerium 214 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge eingeschränkten (subsidiären) Schutz. 2015 waren es bisher 105 Fälle, allerdings dürfte die Zahl noch wachsen. Nach Informationen der »Welt« wurde im vergangenen Jahr nach bisher vorliegenden Zahlen nur 442 Eltern eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland erteilt, weil sie zu ihrem vorher eingereisten Kind nachzogen. Das habe eine Auswertung des Ausländerzentralregisters im Auftrag des Bundesfamilienministeriums ergeben. Agenturen/nd

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