Gegen Bioherrenreiter

Velten Schäfer über das Rechnen vorm Regal

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Fleischindustrie bringt die deutsche Wirtschaft in Zuspitzung auf den Punkt: Sie produziert enorme Exportüberschüsse und beutet ihre Beschäftigten aus. In industriell dimensionierten Großstallungen ist der Personaleinsatz so gering wie der Lohn niedrig - und die Arbeitsbedingungen in deutschen Schlachthöfen spotten teils jeder Beschreibung.

Dies sind ohne Frage problematische Zustände, nicht nur wegen des Anfallens von Gülleseen in lokal nicht zu handhabender Dimension. Auch der steigende Export von zu diesen Bedingungen hergestelltem Fleisch ist verheerend, weil Landwirte in den Zielländern bei diesen Preisen kapitulieren müssen. Nicht nur in armen Ländern, sondern auch in der Nachbarschaft setzt der Deutschlandgulasch negative Standards.

Doch zäumt die hiesige Fleischkritik die Mastsau teils von hinten auf. Oft dreht sich die Debatte um staatliche Maßnahmen zur weiteren Senkung des inländischen Fleischkonsums. Dabei ist dessen ohnehin rückläufige Tendenz unter gegebenen Bedingungen einer der Gründe für Kostensenkungen und Exportbestrebungen. Schraubte man, was Greenpeace vorschlägt, die Mehrwertsteuer für Fleisch kurzerhand von sieben auf 19 Prozent, würde dies am Produktionsregime nichts ändern. Im Gegenteil stiege der Druck im System noch einmal drastisch - und damit Lohnschneiderei, Fließband-Tierfabrikation und Exportdrang.

Ein anderer Vorschlag ist der, Bioproduktion gesetzlich zur Norm zu machen. Dies hätte bei gleichbleibenden Umständen noch mehr als der Steueransatz zur Folge, Fleisch zum Luxus zu machen. Viele derjenigen, die in Idyllen à la »Landlust« schwelgen, können sich nicht vorstellen, wie es wohl wäre, nach einer Rechnung vor dem Regal dem Kind sein nun mal geliebtes Schnitzel zu verweigern.

Was diese Bioherrenreiterideologie so abstoßend macht, ist aber vor allem die stillschweigende Unterstellung, die geschmacklose Kanaille lechze geradezu nach dem eingeschweißten Formfleischbratling. Es ist ja kein Zufall, dass der große Siegeszug der Discountmärkte mit seinen permanenten ruinösen Preiskämpfen in die vergangenen 10 bis 15 Jahre fällt. Er beginnt mit den »Sozialreformen« gerade jener Umweltpartei, deren Agrarexpertin jetzt ein Kilo Hack für 3,40 Euro »pervers« nennt. Wer hier die Wende will, müsste auch über Verteilung reden. Stattdessen wird vorgeschlagen, bestimmte Konsumenten via Geldbeutel zu eliminieren.

Fleisch sei furchtbar ungesund, heißt es auf allen Kanälen - die durchschnittliche Lebenserwartung ist dennoch seit Jahrzehnten gestiegen, gerade auch zu Zeiten eines schnell steigenden Fleischverzehrs. Fleisch stiehlt den Armen die Äcker - nicht minder indes die Biokraftstoffproduktion, unlängst noch im Geiste der Klimapolitik von der heutigen Antischnitzelfront propagiert.

Vieh stößt Methan aus und erwärmt die Erde? Es ist ja nichts dagegen einzuwenden, den Konsum senken zu wollen. Eins aber ist ebenso klar: Menschen lassen sich manchmal überzeugen, aber nur sehr ungern zwingen.

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