DiEM25: »Großer Anlauf«, »traurige Sektenhuberei«
An Aufmerksamkeit für »Democracy in Europa Movement« fehlte es nicht. Wie haben die anderen Zeitungen den Auftakt des Projekts von Varoufakis erlebt? Eine kleine Presseschau
Es kommt nicht oft vor, dass schon die Präsentation eines linken Projekts viel Medienwirbel erzeugt. Und dass in der Berliner Volksbühne am Dienstagabend fast ein Dutzend Kameras die Vorstellung des »Democracy in Europa Movement« dokumentierten, erzählt nicht nur etwas über Yanis Varoufakis’ Projekt DiEM25 und seine Rolle darin - sondern auch über die Medien. Was haben die nun berichtet? Eine kleine Presseschau:
Für die »Welt« hat Jan Dams die DiEM-Sause beobachtet. »Varoufakis' kleine Internationale gegen Kapitalismus«, ist das Stück überschrieben. Der Ex-Finanzminister sei »verbittert über die Ablehnung in Europa«, die er als Regierungsmitglied erfahren habe. Seine »Internationale wird vermutlich schon dann scheitern, wenn es darum geht, den großen Worten konkrete Taten folgen zu lassen«, schreibt Dams. Denn: »Realpolitisch haben Varoufakis, Kipping und die anderen am Dienstagabend nichts gezeigt, was einer breiten Bevölkerung in Europa schmackhaft zu machen wäre.« Die vorgestellten »sozialpolitischen Träume der Linken« seien »in ohnehin maroden EU-Staaten« nicht zu bezahlen. »Das derzeit so kranke Europa würde das eher zerreißen als heilen«, schreibt die »Welt«.
Für die »Tageszeitung« haben Pascal Beucker und Anja Krüger die DiEM25-Präsentation verfolgt. »Der große Varoufakis-Abend in der Berliner Volksbühne ist vorbei. Was bleibt, ist ein fragiles linkes Bündnis mit vielen Fragen«, heißt es da. Eine davon betrifft eine Leerstelle: »Aus dem Süden, dem Norden, dem Westen und der Mitte Europas hat Varoufakis MitstreiterInnen um sich scharen können. Nur der Osten ist arg dünn besetzt. Hat sich in nationalistisch aufgeheizten Ländern wie Ungarn und Polen niemand finden lassen, der von links um das europäische Projekt kämpft?« Auch sei über weite Strecken des Abends »wirkliche Begeisterung« nicht aufgekommen. »Kontroversen werden heute Abend nicht ausgetragen. So findet die auch innerhalb der Linken umstrittene Eurofrage mit keinem Wort Erwähnung«, heißt es in der Taz.
Ebenfalls in der »Tageszeitung« wird über DiEM25 diskutiert: Nina Scholz meint, »besonders radikal ging es am gestrigen Abend also nicht zu. Aber vielleicht ist das gerade der Grund, warum es – neben bestehenden linken und linksradikalen Bündnissen – so etwas wie DiEM25 braucht.« Motto: »Endlich wieder Sozialdemokraten«. Jan Feddersen macht den Kritiker und sieht in DiEM: »Ein Trauerspiel. Pop-Idole, die zu Wracks werden, sind besonders niederschmetternd.« Das Manifest sei »kein Aufbruch zu modernen Höhen, sondern eine Sektenhuberei, wie sie in der bundesdeutschen Geschichte der Linken wiederholt beklagt werden musste«. Hat er es wirklich gelesen? Dagegen hält Martin Kaul, der auf das Europäische an diesem Projekt verweist - »eine große Erzählung« und »eine Vision«, die »auf eine banale Prämisse« sich stützt: »dass sich die europäische Linke niemals gegen, sondern immer nur für Europa entscheiden darf«. Kaul: »Und so ist es gut, dass Varoufakis diesen, ja: großspurigen, Anlauf wagt.«
In der »Neuen Zürcher Zeitung«, österreichischer Ausgabe, schreibt Ivo Mijnssen über »Varoufakis’ linkspopulistische Vision«. Was man nicht nur hier liest - den eher als Kritik gemeinten Hinweis auf die Begabung des Griechen, Bühnen zu nutzen. Die Einschätzung, in Berlin habe sich der Ökonom »an die versammelten radikalen Linken« gewandt, sagt viel über den eigenen politischen Standort des Autoren aus - linksradikal war das Publikum nun wahrlich nicht. Interessant: Mijnssen knüpft in seinem Text einen Faden in Richtung Chantal Mouffe und die Debatte über einen »linken Populismus«. Ohne Ernesto Laclau zu nennen, heißt es da über das DiEM25 Manifest, dieses sei »von einem starken postmarxistischen Geist« umweht. Die darin enthaltenen Forderungen: »wenig realistisch«. Urteil der NZZ: »Die Möglichkeit, dass die Bewegung dereinst an Wahlen teilnimmt, wird erwogen, doch eine klare Strategie fehlt.«. Und: »Bei den etablierten Parteien dürften die radikalen Ideen von Diem25 kaum auf Gegenliebe stoßen. Allerdings wird die Bewegung auch in linken Kreisen kritisiert.«
Im »Freitag« schreibt Michael Jäger: »Diese Bewegung betont, dass sie radikal sei, obwohl sie die Mehrheit der Bevölkerungen zu sich hinüberziehen will. Ist das ein Widerspruch? Wäre es radikaler, möglichst viel kaputtzumachen? Bestimmt nicht«, schreibt er unter anderem. Dass er »die Gruppe DiEM25« mit der Plan-B-Konferenz von Paris in eins setzt, ist zwar nicht ganz richtig - Varoufakis war zwar auch dort mit auf dem Zettel, doch die Kontroversen etwa mit Oskar Lafontaine und Jean-Luc Mélenchon sind offen ausgesprochen. Der Ex-SPD- und Linkenchef macht bei DiEM25 nicht mit, und der Franzose hatte wohl eher an internationale Wahlkampfhilfe gedacht, als die Pariser Konferenz konzipiert wurde.
Harald Schumann macht sich im »Tagesspiegel« darüber Gedanken, wie DiEM25 »sich praktisch organisieren soll«. Dies sei offen geblieben, und auch wenn »Vertreter der alten und neuen europäischen Linken« das Projekt von Varoufakis unterstützten, seien »zentrale Fragen gar nicht erst angesprochen« worden - etwa der dann am Abend von Gesine Schwan angesprochene Punkt, dass es »nicht die Institutionen der EU« seien, deren undemokratische Verfassung zur falschen Politik geführt hätten, sondern schlicht »die gewählten politischen Mehrheiten in den EU-Staaten, die das gewollt und beschlossen haben«.
Auf heise.de berichtet Thomas Moser über »Varoufakis and Friends« und fragt sich: »Wie demokratisiert man eine Demokratie, die an ihr Ende gekommen ist?« Reichen »Prominenz plus wirtschaftlichem Wissen plus politischem Willen aus, eine europaweite Politik zu organisieren, die stark genug ist, radikale Veränderungen gegen die starre wirtschaftliche, politische und militärische Ordnung der Europäischen Union durchzusetzen? Wo ist der soziale Unterbau?« Die Kritik zielt gegen »Showelemente, die beispielsweise die Gründungsversammlung des globalisierungskritischen Netzwerkes von Attac vor Jahren nicht nötig hatte« und darauf, dass »für das Publikum« kein Platz gewesen sei.
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