Millionen verbrannt?
Beschäftigte und Anleger der German Pellets GmbH sehen unsicherer Zukunft entgegen
Holz wird seit Urzeiten zum Heizen benutzt. Ökologisch sinnvoller als Holzscheite sollten die in den 1970er Jahren in den USA entwickelten Pellets aus gepresstem Sägemehl und Holzspänen sein. Als 1997 die Presslinge auch in Deutschland zum Verheizen freigegeben wurden, sprangen viele Unternehmer auf den Zug auf. So auch Peter H. Leibold, der 2005 im mecklenburgischen Wismar die German Pellets GmbH gründete.
Jahrelang ging das Geschäftsmodell auf, die Zahl der Pelletheizungsbesitzer in Deutschland stieg - 2015 waren laut Angaben des Deutsche Energie-Pellet-Verbands (DEPV) rund 400 000 solcher Heizungen installiert. Doch Medienberichte über Feinstaubbelastung beim Verbrennen der gepressten Holzreste und der fallende Ölpreis, der Verbrauchern die Lust am Umsteigen nahm, forderten ihren Tribut. Firmen gaben auf oder suchten sich neue Standbeine.
Nun steht die German Pellets GmbH vor dem Aus. Am Mittwoch musste das Unternehmen Insolvenz anmelden, seit Donnerstag kümmert sich Insolvenzverwalterin Bettina Schmudde um die Belange. Schuld an der Pleite sollen laut Angaben des Unternehmens neben dem Verfall des Ölpreises auch die zwei warmen Winter in Folge und der Fehlkauf des seit Januar ebenfalls insolventen Ofenbauers Kago im Jahr 2010 sein.
Möglicherweise spielt aber auch das Finanzierungsmodell des Familienunternehmens eine Rolle: Ähnlich wie beim 2014 in die Insolvenz gegangenen Windanlagenbauer Prokon konnten German-Pellets-Interessenten Anteilsscheine kaufen - die sogenannten Genussrechte. Dabei versprach der nach eigenen Angaben europaweit größte Pellethersteller eine Rendite von bis zu acht Prozent. Das brachte auch tausende Kleinanleger dazu, das hohe Risiko eines Totalverlustes zu vergessen und Genussrechte zu kaufen. 10 000 bis 12 00 Anleger sollen betroffen sein, laut Anlegervertretern geht es um eine Gesamtsumme von rund 200 Millionen Euro.
Im April sollte German Pellets eine Anleihe mit einem Volumen von 52,4 Millionen Euro, verzinst mit 7,25 Prozent, zurückzahlen. Weil das Geld fehlte, wollte die Firma die Anleger um Aufschub und niedrigere Zinssätze bitten. Doch zur Gläubigerversammlung kam es gar nicht mehr.
Was das für die Anleger bedeutet, ist nicht abzusehen. Bei einer Totalpleite bekämen erst große Gläubiger wie Banken ihr Geld, erst danach würden die Anleger ausgezahlt. Anlegervertreter Klaus Nieding kritisierte, die Betroffenen hätten kaum Chancen gehabt, auf die negative Entwicklung zu reagieren. Der Wert der Anleihen war seit Jahresbeginn auf unter zwei Prozent des Nennwertes gesunken.
Noch unsicherer sieht die Zukunft für die weltweit rund 650 Beschäftigten aus. In den nächsten drei Monaten übernimmt zunächst die Bundesagentur für Arbeit die Löhne in voller Nettohöhe. Bei einer Sanierung würden die Gehälter anschließend aus der Insolvenzmasse bezahlt. Bei einer Betriebsschließung droht aber die Arbeitslosigkeit. Einen Betriebsrat gibt es bei German Pellets wie bei vielen ostdeutschen Mittelstandsunternehmen nicht - und damit auch keine Sozialpläne. Dennoch will die auch für die holzverarbeitende Branche zuständige IG Metall den Mitarbeitern beistehen, sagte Gewerkschaftssekretär Maik Schwaß am Freitag. Am 18. Februar soll ein Anwalt den Beschäftigten ihre Rechte und Pflichten im Insolvenzfall erläutern. Möglicherweise könne sogar jetzt noch ein Betriebsrat gewählt werden, so Schwaß. Das Insolvenzverfahren wird laut Schmudde erst im April oder Mai eröffnet.
Auch rund 100 Mitarbeiter des belgischen Kraftwerks Langerlo müssen möglicherweise zittern: Kurz vor der Insolvenz hatte German Pellets das Steinkohlekraftwerk von E.on gekauft - um es auf die Befeuerung mit gepresstem Holz umzurüsten und damit in die Stromproduktion einzusteigen. Ein Sprecher der E.on-Kraftwerkssparte Uniper wollte sich nicht dazu äußern, ob German Pellets den Kaufpreis schon bezahlt hat.
Für Besitzer einer Pelletheizung dagegen stellt die Insolvenz nach Ansicht des Branchenverbandes DEPV kein Problem dar: Die Kapazität der deutschen Pelletwerke betrage über drei Millionen Tonnen im Jahr - verbraucht würden aber nur rund zwei Millionen Tonnen. Die Versorgung sei also gesichert. DEPV-Chef Andreas Lingner betonte aber, die Pleite sei »ein Fingerzeig an die Politik, am Heizungsmarkt mehr für die Energiewende in Deutschland zu tun«.
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