Wo endet die Macht der Europäischen Zentralbank?
Bundesverfassungsgericht muss seine Kritik an EZB-Anleihekaufprogramm mit EU-Recht in Einklang bringen
Karlsruhe. Bundesbankchef Jens Weidmann hat vor dem Bundesverfassungsgericht seine Vorbehalte gegen den Kurs der Europäischen Zen-tralbank (EZB) in der Eurokrise bekräftigt. Bei Staatsanleihenkäufen unter dem sogenannten OMT-Programm aus dem Jahr 2012 würden die Risiken vollständig vergemeinschaftet und letzten Endes auf die Steuerzahler verteilt, sagte Weidmann am Dienstag in Karlsruhe. Eine Anwendung des Programms, die bisher noch nie erfolgte, sei durch die aktuellen Anleihenkäufe der Notenbank zwar unwahrscheinlicher geworden. An sich seien beide Programme aber auch parallel zueinander vorstellbar, so Weidmann. Die EZB hatte auf dem Höhepunkt der Eurokrise versprochen, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenstaaten zu kaufen.
Kritiker der weitreichenden Maßnahmen hatten das Bundesverfassungsgericht aufgerufen zu prüfen, ob die EZB ihr Mandat überschritten hat. Die Karlsruher Richter verhandeln über insgesamt fünf Klagen. Allein der Verein »Mehr Demokratie« vertritt über 11 000 Kläger. »Wir als Bundestag haben die EZB nicht berechtigt, Erfinder, Durchsetzer und Kon-trolleur zugleich zu sein«, sagte der LINKE-Politiker Gregor Gysi am Dienstag in der mündlichen Verhandlung. Gysi vertritt seine Bundestagsfraktion in dem Verfahren.
Der Freiburger Staatsrechtsprofessor Dietrich Murswiek, der für den CSU-Politiker Peter Gauweiler spricht, kritisierte, das OMT-Programm der EZB sei gleich »in mehrfacher Hinsicht mit dem Demokratieprinzip unvereinbar«. Für ihre Maßnahmen fehle der Notenbank die demokratische Legitimation.
Der OMT-Beschluss der Zentralbank gilt als Wendepunkt in der Schuldenkrise - allein die Ankündigung des Programms beruhigte die Märkte. Denn der Kauf von Staatsanleihen drückt die Zinslast eines Krisenstaates: Er muss weniger für Kredite ausgeben und bleibt so zahlungsfähig. Nach Einschätzung der Verfassungsrichter von Januar 2014 darf die Notenbank laut EU-Vertrag aber keine eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben. Der Beschluss verstoße außerdem gegen das Verbot der Mitfinanzierung von Staatshaushalten. Die Verfassungsrichter legten den Fall dem Europäischen Gerichtshof vor, der die Anleihenkäufe für rechtmäßig erklärte. Die Frage ist nun, wie Karlsruhe mit dem Luxemburger Urteil umgeht. Die Richter prüfen allein nach den Maßstäben des Grundgesetzes. Die Entscheidung könnte im Frühsommer verkündet werden.
Finanzstaatssekretär Jens Spahn (CDU) appellierte an die Richter des Zweiten Senats, »dem Kooperationsverhältnis beider Gerichte Rechnung zu tragen«. Es gelte nun, beide Rechtsräume in Einklang zu bringen. Er wünsche sich ein »Freundschaftsspiel«, bei dem beide Seiten am Ende als Sieger daständen. dpa/nd
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