Indien: Gelassenheit gegenüber Trumps Zöllen

Indiens Regierung hält Gegenmaßnahmen für nicht nötig und setzt auf ein Handelsabkommen

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.
Bauernprotest in Indien gegen den Besuch des US-Vizepräsidenten
Bauernprotest in Indien gegen den Besuch des US-Vizepräsidenten

Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird – dieses deutsche Sprichwort beschreibt am besten die Reaktionen der indischen Politik auf die globalen Zölle aus Washington seit Anfang April. Während andere Staaten und Bündnisse von China bis zur EU umgehend Gegenmaßnahmen ankündigten, blieb es in Delhi auffallend ruhig. US-Präsident Donald Trump hatte im Fall Indiens pauschale Zölle von 26 Prozent angekündigt.

Die Gründe für diese Gelassenheit sind vielfältig. So ist der Prozentsatz, mit der indische Exporte in die USA betroffen sind, deutlich geringer als der, unter denen die Wirtschaft anderer Länder zu ächzen hat. Der bilaterale Handel summiert sich auf 129,2 Milliarden Dollar; rund 18 Prozent der indischen Exporte gehen in die USA. Zudem hofft man, Auswege zu finden. Die Optimisten fühlen sich dadurch bestätigt, dass Trump die Zölle zunächst für 90 Tage ausgesetzt hat. Bis 9. Juli hat die Regierung von Premier Narendra Modi nun Zeit, mit der US-Administration eine Einigung zu finden, die ein erneutes Scharfschalten der Zollstrafen verhindert.

Ein weiterer Aspekt, der Indien eine gute Ausgangsbasis verschafft: Eine der wichtigsten Exportbranchen des Subkontinents ist vom Trump’schen Rundumschlag gegen aus seiner Sicht unfaire Handelspraktiken ausgenommen: die Pharmaindustrie. Offenbar will sich der vor drei Monaten erneut ins Weiße Haus eingezogene US-Präsident nicht ins eigene Fleisch schneiden, wie diese seltene Ausnahme zeigt. Schließlich stammen 40 Prozent der Generika, die im Gesundheitswesen zwischen New York, Florida und Kalifornien verschrieben werden, aus indischer Produktion, heißt es unter Berufung auf die US-Arzneimittelbehörde FDA. Damit nimmt Indien mit medizinischen Exporten in der Größenordnung von 8,7 Milliarden Dollar eine Schlüsselstellung bei der Medikamenten-Versorgung in den USA ein.

Dennoch: Donald Trump ist auch das Handelsbilanzdefizit gegenüber Indien von zuletzt 41,18 Milliarden Dollar ein Dorn im Auge. Indische Firmen exportieren weit mehr nach Nordamerika als US-Hersteller in umgekehrter Richtung. Ganz wichtig sind dabei Elektronikgüter, vor allem Smartphones. Laut einem Bericht der Zeitung »Straits Times« aus Singapur führte allein der Apple-Konzern im Ende März abgelaufenen Finanzjahr 2024/25 Handys im Wert von 22 Milliarden US-Dollar aus Indien ein, was einer Steigerung von 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Jedes fünfte iPhone wurde damit auf dem Subkontinent gefertigt.

Donald Trump ist auch das Handelsbilanzdefizit gegenüber Indien von zuletzt 41,18 Milliarden Dollar ein Dorn im Auge.

Tatsächlich lässt der Tech-Gigant mehrere große Zulieferer für sich produzieren, neben dem altehrwürdigen Mischkonzern Tata vor allem auch Foxconn. Das taiwanesische Unternehmen ist gerade dabei, im ländlichen Umfeld der südindischen Hightech-Metropole Bengaluru ein neues Werk aus dem Boden zu stampfen. Rund 2,5 Milliarden Dollar sollen in die auf einem 220 Fußballfelder großen Grundstück geplante Fabrik investiert werden, wie das gemeinnützige Technik-Newsportal »Rest of World« aus den USA in einem aktuellen Beitrag berichtet. Es werde die zweitgrößte Anlage außerhalb Chinas sein. Da der Konzern die Schaffung von 40 000 neuen Jobs verspricht, ist die Regionalregierung des Bundesstaates Karnataka mit einer Förderung von gut 800 Millionen Dollar mit im Boot.

Wie ein neues bilaterales Handelsabkommen auf den Weg gebracht werden kann, darum drehte sich auch ein Gespräch von Premier Modi mit dem US-Vizepräsidenten JD Vance am Montagabend. Er weilt zusammen mit seiner indischstämmigen Frau Usha und den drei kleinen Kindern zu einem viertägigen, teils privaten Besuch in Indien. Es habe »signifikante Fortschritte« gegeben, verlautete im Anschluss an den Austausch in sehr allgemeinen Formulierungen.

Bisher gilt der Herbst als zeitliche Zielmarke für eine Einigung – ob das zu erreichen ist, bleibt ungewiss. Denn während die Regierung in Delhi Trumps Vize den roten Teppich ausrollte, waren zugleich die kritischen Stimmen im Land nicht zu überhören. Vor allem Bauern machten landesweit mit Straßenprotesten auf ihre Sorgen aufmerksam, das Abkommen könnte bisherige Schutzmaßnahmen gegen Importe aus dem hoch subventionierten US-Agrarsektor aushebeln.

»Indien steht nicht zum Verkauf«, hieß es auf Protestschildern bei Aktionen in diversen Orten landesweit. Die gleiche Botschaft verbreitete auch eine drei Tage zuvor veröffentlichte Erklärung der kommunistischen All India Kisan Sabha – einer der größten nationalen Bauernverbände, der federführend hinter den Protesten stand. Die Agrarfrage ist ein besonders sensibles Thema in Indien, wo es ein Politikum ist, dass sich mehr als 10 000 Bauern pro Jahr meist wegen akuter Überschuldung das Leben nehmen.

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