Napoleons Abgang

In der Posse um Felix Zwayer und Roger Schmidt ging die wichtigste (Fehl)-Entscheidung unter

In Zeiten, in denen selbst bei der Bundeswehr das Prinzip von Befehl und Gehorsam überdacht wird, bleibt bei vielen Referees alles beim Alten. Komisch, dass Felix Zwayer gerade so eine gute Presse hat.

Erwachsene Menschen weinen, weil ein paar überbezahlte Kicker demnächst in der zweiten statt in der ersten Liga spielen. Millionäre werden bedauert, weil sie als Trainer entlassen werden, Väter tagelang von ihren mitfühlenden Gattinnen geschont, weil sie doch eh schon so schwer zu leiden hätten ... an der Niederlage ihres Vereins. Keine Frage, Fußball ist eigentlich ein einziger Witz.

Da kann auch nicht weiter überraschen, was am Sonntag in Leverkusen passierte. Ein Schiedsrichter stellt einen Trainer vom Platz, der sich für seinen Geschmack ein bisschen zu laut und zu oft beschwert hat. Doch der weigert sich zu gehen. Also tut genau das der Referee und unterbricht das Spiel für neun Minuten. Kindergarten? Jau. Und der Aufreger des Wochenendes, wie ein Blick ins Netz und handverlesene Tageszeitungen zeigt. Im Grunde wäre es also fatal, diesen »Sonntagsschuss« einem anderen Thema zu widmen, zumal eine Wurst erst dann zur Stadion-Wurst wird, wenn möglichst viele Menschen ihren Senf dazugegeben haben.

Aus dem Senfeimer des »nd« käme dann natürlich in diesem Fall der Hinweis, dass ein Trainer, der sich so verhält wie Roger Schmidt, vor allem mal unsolidarisch verhält. Unsolidarisch gegenüber tausenden seiner Kollegen im Jugendfußball, die zehntausenden kleinen Diven und deren Eltern mühsam beipulen müssen, dass die Entscheidungen der Referees einfach mal akzeptiert werden sollen, damit nicht nach jedem noch so gerechtfertigten Pfiff wilde Diskussionen aufkommen. Schmidt ist da sowieso kein besonders gutes Vorbild – wie sieben, acht andere Kollegen gehört er zu denen, die während eines Spiels fast ununterbrochen den Vierten Offiziellen volltexten. Schwarzer Peter für Schmidt also, zumal die Entscheidung, die seine Verbannung auf die Tribüne ausgelöst hatte, noch halbwegs zu rechtfertigen war.

Dass Felix Zwayer nun als Gewinner des Spieltages dasteht, ist trotzdem ein Witz. Zum einen, weil über eine der absurdesten Fehlentscheidungen in dieser an absurden Fehlentscheidungen schon so reichen Saison gar nicht gesprochen wird: Dass sich Rudi Völler nach dem Schlusspfiff so aufregte, hatte ja vor allem damit zu tun, dass Zwayer den klarsten Handelfmeter der Weltgeschichte nicht pfiff, weil er eine Vergrößerung der Körperfläche, die schon fast eine Verdreifachung war, übersah. Auch das war wieder gut für Dortmund ...

Vor allem aber führte sich Zwayer (mal wieder!) auf wie ein Napoleon auf Anabolika. Statt einfach mal zwei Sätze mit Schmidt zu wechseln, gestikulierte er gebieterisch in 50 Metern Entfernung herum und verweigerte die Antwort auf Schmidts Fragen. Es gibt Schiedsrichterkollegen, die so etwas als souveräne Spielführung würdigen, andere, meist jüngere, äußern sich da nachdenklicher.

In Zeiten, in denen selbst bei der Bundeswehr vielerorten das Argument das Prinzip von Befehl und Gehorsam ersetzt, bleibt bei vielen Referees alles beim Alten. Fußball ist eben wirklich lächerlich.

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