Die Qualität kann warten
Hamburgs Kitas sollen den Tarifabschluss ohne zusätzliches Geld finanzieren
Führt der Tarifabschluss von 2015 Hamburger Kindertagesstätten in die roten Zahlen? Hamburg wolle die zusätzlichen Personalausgaben auf die Kita-Träger abwälzen, kritisiert die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft. »Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) will den Tarifabschluss nicht refinanzieren«, warnt sie. Die Kita-Träger würden demnach auf den erhöhten Personalkosten sitzen bleiben. Betroffen seien vor allem die in der Arbeitgebervereinigung Hamburg (AVH) organisierten Träger, die Branchenkennern zufolge noch die höchsten Gehälter zahlen. Der Tarifkonflikt um die Höhergruppierung von Erzieherinnen und Erziehern hatte sich im vergangenen Jahr etwa sieben Monate hingezogen. Durchschnittlich sollen sie zwischen vier und 4,5 Prozent mehr Gehalt erhalten.
Um die Lohnsteigerungen ohne finanziellen Ausgleich zu wuppen, müssten die Träger ihr Angebot verschlechtern, wenn sie nicht in die roten Zahlen rutschen wollen. Einen Vorteil besäßen damit jene Träger, die durch geringere Löhne niedrigere Personalkosten haben. »Damit begeht die SPD offenen Wortbruch«, wirft der Bürgerschaftsabgeordnete Mehmet Yildiz (LINKE) dem rot-grünen Senat vor. So habe SPD-Fraktionschef An-dreas Dressel im Streit um die Finanzierung der Olympiabewerbung noch im November erklärt: »Wir übernehmen die Tarifeinigung im Kita-Bereich und verbessern die Gruppengrößen in den Einrichtungen.«
Letzteres ist ohne zusätzliches Geld kaum zu machen. Entscheidend für die Qualität der Kitas ist der Personalschlüssel. Nur wenn die Erzieher Zeit haben, mehr als volle Windeln zu wechseln, können Kitas ihrem Auftrag zur frühkindlichen Bildung gerecht werden. Müssen von dem bislang vorhandenen Geld höhere Gehälter bezahlt werden, muss irgendwo anders gespart werden. Als Beispiel nennt die LINKE den Träger »Elbkinder«, der mit rund 180 Einrichtungen ein Drittel des Hamburger Kinderbetreuungsmarkts abdeckt. Die gemeinnützige GmbH ist eine hundertprozentige Tochter der Hansestadt. Deren Geschäftsführung plane »notgedrungen, die Personalschlüssel um zehn Prozent zu verschlechtern, um die vereinbarten höheren Gehälter zu zahlen«, warnt die Linksfraktion.
Die SPD-geführte Sozialbehörde widerspricht: »Die Behauptung der Linksfraktion, dass die Vereinigung beabsichtige, die Personalschlüssel um zehn Prozent zu reduzieren, trifft nicht zu.« Die »Elbkinder« hätten vielmehr in den vergangenen zwei Jahren eine »freiwillige und zusätzliche Personalausstattung« in den Krippen finanziert, die über die im Landesrahmenvertrag Kita festgelegten Personalstunden hinausging, so die Behörde. Auch die Geschäftsführung der »Elbkinder« weist Kritik zurück. Geplant sei lediglich die Streichung einer freiwilligen Mehrleistung: »Somit entspricht die Personalausstattung der ›Elbkinder‹-Kitas weiterhin dem im Landesrahmenvertrag vereinbarten Schlüssel.«
Wie ernst die Lage tatsächlich ist, wird hingegen aus einem internen Mitarbeiterschreiben der »Elbkinder«-Geschäftsführung deutlich: »Durch den Tarifabschluss des Sozial- und Erziehungsdiensts haben wir um 6,9 Millionen Euro höhere Personalkosten in 2016. Diese sind nicht mehr vollständig durch die Gutscheinentgelte finanziert«, heißt es darin. Über das sogenannte Gutscheinsystem erhalten die Träger in Hamburg feste Pauschalen, mit denen sie haushalten müssen. Der Träger erwartet nun für das Jahr 2016 ein Minus von sechs Millionen Euro - »und dies ist ein strukturelles Defizit, das sich auch in die nächsten Jahre fortsetzt«, kündigt er in dem Schreiben an die Mitarbeiter an. Und hier ist nun doch von Verschlechterungen die Rede: Von Kürzungen betroffen sei demnach die Betreuung der zwei- bis dreijährigen Kinder.
In Gesprächen mit der Stadt wollen die »Elbkinder«-Chefs einen Strukturausgleich in der Arbeitgebervereinigung Hamburg erreichen, werden die Beschäftigten informiert. Bislang habe Sozialsenatorin Leonhard eine »Refinanzierung der Tarifabschlüsse« jedoch abgelehnt, verlautet es aus dem »Elbkinder«-Umfeld. Zusätzliches Geld sei von der Stadt nicht zu erwarten, so die Position. Wie mit dieser starren Haltung Hamburg zur »kinderfreundlichsten Stadt Deutschlands« werden soll, wie es der rot-grüne Koalitionsvertrag von 2014 vollmundig vorgibt, bleibt wohl ein Geheimnis der Verfasser.
Aktuell gibt es Gespräche mit Senatsvertretern, bestätigt auch Sigrid Ebel von ver.di Hamburg: »Die Refinanzierung von Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst und Zuwendungsbereich ist eine zentrale Forderung, die wir bei allen Gesprächen und zu allen Haushaltsberatungen formulieren«, sagt Ebel.
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