Uli Hoeneß wird resozialisiert
Der frühere Manager des FC Bayern kommt aus der Haft - viele Fragen in seinem Steuerfall blieben ungeklärt
Uli Hoeneß wurde im März 2014 vom Landgericht München wegen Steuerhinterziehung zu dreieinhalb Jahren (42 Monaten) Gefängnis verurteilt. Der Verurteilte trat die Haftstrafe am 2. Juni in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Landsberg am Lech an.
Das Gefängnis in Oberbayern ist berühmt-berüchtigt, denn hier waren in den 1920er Jahren Adolf Hitler und Julius Streicher, der Herausgeber des Nazi-Hetzblattes »Der Stürmer«, inhaftiert. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges saßen unter anderem Rudolf Heß und Alfried Krupp von Bohlen und Halbach in Landsberg ein. Wegen »landesverräterischer Beziehungen« zur DDR verbüßte der Foto-Unternehmer Hannsheinz Porst ab 1969 hier eine Gefängnisstrafe.
Hoeneß kam zunächst in die Krankenabteilung mit weniger strengen Haftbedingungen. Danach verbrachte er seine Haft im normalen Vollzug, war in der Kleiderkammer der JVA tätig. Laut Medienberichten durfte der Ex-Fußballmanager an fast allen Wochenenden bei seiner Familie übernachten. Einen ganzen Tag Hafturlaub gewährte man ihm erstmals am 20. September 2014. Auch Weihnachten und Silvester durfte der Verurteilte zu Hause verbringen. Seit dem 2. Januar 2015 genießt Hoeneß die Vergünstigung des Offenen Vollzugs, die etwa jedem sechsten Strafgefangenen gewährt wird. Das heißt, dass der Gefangene wochentags nur noch den Abend und die Nacht im Gefängnis verbringt und tagsüber einer Tätigkeit nachgeht - in diesem Fall einer Beschäftigung in der Jugendabteilung des FC Bayern. Die Wochenenden verbringt solch ein »Freigänger« bei seiner Familie.
Am 18. Januar 2016 teilte das Landgericht Augsburg die »Bewährungsaussetzung zum Halbstrafenzeitpunkt« mit: Auf Antrag des Verurteilten werde die restliche Strafe zum 29. Februar ausgesetzt - 21 der 42 Monate Gefängnisstrafe sind dann abgesessen. Die Münchner Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Beschwerde dagegen, ließ aber durchblicken, dass sie gegen die Halbstrafenregelung bei Hoeneß ist.
Fast schon tränentreibend wirkte ein Bericht des Magazins »Focus« über die Gründe der Haftentlassung, in dem der Verurteilte als eine Art Lichtgestalt hinter Gittern dargestellt wurde: Hoeneß habe »vorbehaltlose Kooperationsbereitschaft« und »rückhaltlose Mitwirkung an den Finanzermittlungen« gezeigt, sei »von Schuldeinsicht und Reue getragen«, habe sich der Justiz geradezu »ans Messer geliefert«. Der Verurteilte habe auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichtet und dadurch »erneut seine Schuldeinsicht dokumentiert«. Die Rückforderungen der Finanzbehörde habe Hoeneß »eigeninitiativ« und »vollumfänglich« beglichen.
Wie konnte solch ein großartiger Mensch im Gefängnis landen?, fragt sich der unbedarfte Leser. Zumal Uli Hoeneß ein »vorbildlicher Häftling« sei, »von sozialem Engagement geprägt«, »gewissenhaft und sorgfältig«, den Mitgefangenen gegenüber »kameradschaftlich« und »hilfsbereit« - ohne »irgendwelche Allüren«. Und nicht nur das: Hoeneß wurde gar zum Opfer, im Gefängnis »verleumdet, erpresst und ausspioniert«.
Für den nüchternen Betrachter, der sich von solch fast schon penetrant positiver Beschreibung nicht blenden lässt, ist hingegen vieles ungeklärt geblieben. Hoeneß, der als Bayern-Chef die Ökonomisierung des Fußballs in Deutschland wie kein zweiter vorangetrieben hat, versteckte bei der Schweizer Privatbank Vontobel auf einem Nummernkonto riesige Summen vor dem deutschen Fiskus und hinterzog über Jahre die fälligen Steuern. Doch wie viel genau hat Uli Hoeneß hinterzogen? Im Urteil heißt es vage: »mindestens« 28,5 Millionen Euro. Dass die genaue Höhe der Steuerschuld von der Strafkammer seinerzeit nicht ermittelt wurde, findet Wilhelm Schlötterer, ehemals oberster bayerischer Steuerfahnder, »höchst befremdlich«.
Das Landgericht Augsburg formulierte im Beschluss zur Strafaussetzung, dass Hoeneß »den Schaden durch Zahlungen in Höhe von mindestens 43 Millionen Euro wieder gutgemacht« habe. Eine seltsame Differenz zu der im Urteil genannten Summe, die sich selbst bei Berücksichtigung von Zins und Zinseszins nicht erklärt.
Weitere Fragen sind offengeblieben: Warum verurteilte die Strafkammer den Fußballmanager nur wegen »einfacher Steuerhinterziehung«? Wieso verzichtete die (dem Justizministerium gegenüber weisungsgebundene) Staatsanwaltschaft auf die Revision? Hatte Minister Winfried Bausback (CSU) da etwa seine Finger im Spiel? Schon im März 2014 erklärte Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich, das Gericht habe fälschlicherweise nicht schwere, sondern nur einfache Steuerhinterziehung angenommen. »Dieses Urteil hätte vor dem Bundesgerichtshof niemals Bestand gehabt«, zitierte der »Stern« einen Strafrichter. Auch Steuerexperte Schlötterer meint: »Bei 28,5 Millionen Euro hätte die Strafe wesentlich höher ausfallen müssen.«
Ungeklärt blieb auch, welche Erträge die vom »Stern« nach der Verurteilung aufgedeckten weiteren Millionentransaktionen in die Schweiz erbrachten und ob Hoeneß dafür Steuern zahlte.
Für die Justiz scheint der »Fall Hoeneß« mit der bevorstehenden Haftentlassung erledigt zu sein. Beim FC Bayern ist längst im Gespräch, dass Hoeneß bei der Hauptversammlung im November wieder Präsident werden könnte. Der jetzige Chef Karl Hopfner hat bereits bekräftigt, nicht im Weg stehen zu wollen, sollten die Gremien Hoeneß als Präsident vorschlagen. Dieser will erst nach viel Ruhe und reiflicher Überlegung im Sommer seine Entscheidung treffen.
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