Der nächste Abgang im WM-Skandal
Helmut Sandrock tritt zurück - auch der DFB-Generalsekretär stolpert über die Affäre um die Weltmeisterschaft 2006
Das Beben im Fußball hält an. Gegen den Weltverband, fast alle Dachorganisationen der Konföderationen und viele nationale Verbände ermitteln derzeit Staatsanwaltschaften. Da ist der größte Sportverband der Welt, der Deutsche Fußball-Bund mit seinen undurchsichtigen Millionenzahlungen rund um die WM 2006, keine Ausnahme. Während die FIFA am Freitag auf einem außerordentlichen Kongress in Zürich versuchte, mit der Wahl eines neuen Präsidenten und strukturellen Änderungen ihren Willen zu Reformen zu demonstrieren, überraschte der DFB mit einer Personalie.
»Helmut Sandrock gibt auf eigenen Wunsch das Amt als Generalsekretär des Deutschen Fußball-Bundes mit sofortiger Wirkung auf«, teilte der Verband am Vormittag mit. Die Begründung lieferte Sandrock selbst: »Es ist einfach guter Stil und üblich, wenn bei einer Neuwahl des Präsidenten dieser auch die Gelegenheit erhält, dem DFB-Bundestag einen neuen Generalsekretär zur Wahl vorzuschlagen. Zum Wohl unseres Fußballsports und des DFB ist es notwendig, dass ein kompletter Neuanfang - auch personell - glaubwürdig und konsequent dokumentiert wird.«
Bevor über die Hintergründe spekuliert wird, verdient dieser Schritt zumindest ein wenig Respekt. Da zieht einer recht still Konsequenzen. Wie beschämend es ist, dies nicht zu tun, sondern sich an Amt und Würden zu klammern, bewies beim DFB zuletzt Wolfgang Niersbach. Bis zu seinem Rücktritt im vergangenen November hangelte sich der ehemalige Präsident fast einen Monat von Lüge zu Lüge in der deutschen WM-Affäre.
Der Name Niersbach führt dann aber auch direkt zu Sandrock und dessen Rücktrittsgründen. Als im vergangenen Oktober die Affäre durch Enthüllungen des »Spiegel« ihren Anfang genommen hatte, versuchten der DFB und sein Präsident Niersbach noch glaubhaft zu machen, von alldem nichts zu wissen: von der dubiosen Zahlung über 6,7 Millionen Euro, die der damalige Adidas-Chef Robert-Louis Dreyfus 2002 für die deutschen WM-Macher an die FIFA bezahlte. Auch der ominöse Vertrag mit dem ehemaligen und mittlerweile wegen Korruption lebenslang gesperrten FIFA-Vizepräsidenten Jack Warner zählt wohl dazu. Von beiden Vorgängen, die Gegenstand mehrerer Ermittlungen von Staatsanwaltschaften in Deutschland, der Schweiz und den USA sind, soll auch der 59-jährige Sandrock schon sehr viel früher Kenntnis gehabt haben.
Am vergangenen Donnerstag hat der »Stern« ein Dokument veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass Helmut Sandrock spätestens seit Anfang Juni 2015 über die Millionenzahlung und deren Verwendungszweck (»Von dem katarischen FIFA-Funktionär Mohammed Bin Hammam ist die Rede und vom Blatter-Wahlkampf 2002«) informiert war - durch Wolfgang Niersbach. Überraschend ist das nicht. Schließlich gehört auch Sandrock schon seit Jahren zum elitären Kreis der Spitzenfunktionäre im Weltfußball. Er war Mitglied im Organisationskomitee und Turnierdirektor der WM 2006. Vier Jahre später war er Generalkoordinator der FIFA für die WM 2010 in Südafrika. Am 2. März 2012 machte ihn der DFB als Nachfolger von Niersbach zum Generalsekretär.
Dass Sandrock im selben Jahr Integritätsbeauftragter (!) der UEFA wurde, ist nur ein weiterer Beleg für Klüngel und Gewissenlosigkeit im Weltfußball. Und richtig ernsthaft - freiwillig schon gar nicht - will auch kaum ein Beteiligter dagegen vorgehen. Nicht in der FIFA: Die am Freitag beschlossenen Reformen sind halbherzig. Nicht in der UEFA: Der europäische Verband steht weiter hinter seinem für sechs Jahre gesperrten Präsidenten Michel Platini. Und auch nicht beim DFB: »Das Präsidium hat einstimmig Wolfgang Niersbach gebeten, seine persönlichen Ämter bei der FIFA und UEFA zu behalten«, berichtete jüngst DFB-Interimspräsident Reinhard Rauball.
Der als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes nicht mehr tragbare Niersbach bestimmt in der Exekutive von FIFA und UEFA also weiterhin die Entwicklung des Fußballs. Über seine Arbeit dort sagte er vor dem außerordentlichen Kongress in Zürich: »Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, die Interessen des deutschen Fußballs wahrzunehmen, mich dabei mit dem DFB-Präsidium abzustimmen und regelmäßig zu informieren. Dies ist auch im Vorfeld des Kongresses geschehen.« Ebenfalls noch vor dem Kongress kam der Rücktritt von Helmut Sandrock. Vermeldet wurde er am Freitag. Schon am Montag hatte der DFB bekanntgegeben, dass Sandrock nicht mit nach Zürich fahren kann - »krankheitsbedingt«!
Sandrocks Stelle beim FIFA-Kongress nahm Reinhard Grindel ein. Als Schatzmeister gehört der 54-Jährige auch dem DFB-Präsidium an - und im April soll er zum neuen Präsidenten gewählt werden. Das Verhältnis zur deutschen Verbandsspitze beschreibt Niersbach als »vollkommen intakt«. Ein »kompletter Neuanfang«, den Sandrock als Begründung für seinen Rücktritt angab und den der Deutsche Fußball-Bund zuvor natürlich auch selbst ausgerufen hatte, geht irgendwie anders.
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