Irland entscheidet: Regierung abgewählt

Wahlen in Zeiten der sozialen Krisenfolgen: Sinn Fein gestärkt, Linksparteien und Grüne gewinnen / Premier Kenny will dennoch weitermachen

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Irland hat gewählt - und sich gegen die bisher amtierende Regierung und ihren Kurs entschieden. Der Premierminister Enda Kenny räumte die Niederlage seiner Koalition ein. Es sei »klar«, dass das Bündnis aus Fine Gael und Labour nicht bestätigt worden seien. Er sprach von einer »Enttäuschung« für die Fine Gael. »Die Bevölkerung hat klar entschieden, diese Regierung nicht wiederzuwählen.« Laut der vorliegenden Zahlen stürzte Kennys Mitte-Rechts-Partei von 36,1 Prozent im Jahr 2011 auf 24,8 beziehungsweise 26,1 Prozent ab. Ihr Bündnispartner, die sozialdemokratische Labour-Partei, verlor sogar von 19,5 Prozent auf nur noch 7,4 beziehungsweise 7,8 Prozent.

Einer der Gewinner: die linksrepublikanische Partei Sinn Féin, die die von Kenny verfolgte Austeritätspolitik ablehnt. Unter dem Vorsitzenden Gerry Adams hatte sie sich dem Bündnis Right2Change angeschlossen, das zuletzt 20.000 Bürger auf die Straßen in Dublin brachte, um gegen Wassergebühren und den sozialpolitischen Kurs der Regierung zu protestieren. Laut der »Irish Times« kommt Sinn Féin auf fast 14 Prozent bzw. 16 Prozent - das sind gut fünf bzw. sieben Prozent mehr als 2011. Die beiden Linksparteien AAA und PBP kommen zusammen auf knapp 4 Prozent. Die Grünen können mit 2,7 Prozent mit einem Mandat rechnen. Die Vorsitzenden der beiden Linksparteien AAA und PBP hatten ihre Bereitschaft erklärt, Adams zu einem »alternativen Ministerpräsidenten« zu wählen, falls es zu einer eigenen linken Mehrheit reicht - ein Szenario, das sowohl Unternehmerverbände als auch die Fine Gael und die weiter rechts stehende Partei Fianna Fáil bereits dazu gebracht hat, Warnungen auszustoßen.

Noch Premier Kenny sagte, für die Beantwortung der Frage, welche Optionen nun noch offen stehen, müsse abgewartet werden, bis alle Stimmen ausgezählt seien. Ein endgültiges Ergebnis dürfte es wegen des komplizierten Wahlsystems frühestens am Sonntagnachmittag geben. Laut der Deutschen Presse-Agentur will Kenny trotz der Niederlage nicht zurücktreten. »Ich habe die Aufgabe und die Verantwortung, mit der Entscheidung des Volkes zu arbeiten, um dem Land eine stabile Regierung zu bringen«, sagte er am Samstagabend in Dublin. »Das beabsichtige ich voll und ganz.«

Kennys Mitte-rechts-Partei Fine Gael und Labour kämen zusammen auf nur noch 55 bis 68 der 158 Parlamentssitze und lägen damit klar unter der Mehrheit von 80 Mandaten. Die konservative Fianna Fail, die Irland jahrelang regierte, bevor sie 2011 von den Wählern wegen ihrer Politik in der Finanzkrise abgewählt wurde, legte den Prognosen zufolge bis zu 5,5 Prozentpunkte auf 21,8 bis 22,9 Prozent zu. Ein Bündnis mit der Sinn Fein hatten jedoch sowohl Fine Gael wie auch Fianna Fail ausgeschlossen, da sie den Austeritätskurs strikt ablehnt.

Themen im Wahlkampf waren vor allem der umstrittene Kürzungskurs der Regierung und die Entwicklung des Landes nach der Wirtschafts- und Finanzkrise. Ministerpräsident Kenny hatte im Wahlkampf versucht, mit dem Hinweis auf eine aktuell gute Konjunktur in Irland zu punkten. Das Land hat mit derzeit sieben Prozent die höchste Wachstumsrate in der EU. Kennys Politik stützte sich allerdings auf ein hartes Austeritätsregime, das viele Menschen in die Armut getrieben hat. Die Zahl der Obdachlosen stieg beträchtlich an, fast 30 Prozent der Bevölkerung leiden laut Statistiken unter Anzeichen von Mangel und Verarmung. Wachstum und Aufschwung ist eben nur die eine Seite der Medaille, monieren Kritiker. Agenturen/nd

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