In jedem Krankenbett wird anders therapiert
Schlechtes Zeugnis für ambulante Klinikbehandlung
Berlin. Das deutsche Gesundheitswesen ist gespalten: Während sich die Zahl der ambulanten Versorgungsangebote in den Kliniken in den vergangenen Jahrzehnten erhöht hat, ist das Zusammenspiel zwischen Krankenhäusern und Praxen nach wie vor unzureichend koordiniert. Zu diesem Ergebnis kommt der Krankenhaus-Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, der am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Die Fülle der Leistungsangebote im ambulanten Sektor ist nach Ansicht der Experten ein ineffizienter »Wildwuchs«.
Während ursprünglich Krankenhäuser für stationäre und Arztpraxen für ambulante Versorgungen zuständig waren, böten inzwischen auch Kliniken nichtstationärer Leistungen an, berichteten die Experten. Ihre Zahl habe sich in den vergangenen drei Jahrzehnten auf 20 erhöht. Doch: »Von einer verzahnten und sinnvoll gestuften, an den Bedürfnissen der Patienten orientierten integrierten Versorgung sind wir immer noch weit entfernt«, kritisierte Ferdinand Gerlach, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, bei der Vorstellung des Reports.
Das zeige sich besonders bei der Behandlung von Patienten mit Mehrfacherkrankungen. »Kaum einer übernimmt für Patienten mit mehreren Krankheiten, die gleichzeitig von verschiedenen Ärzten und Kliniken behandelt werden, die Gesamtverantwortung und schützt sie vor zu viel oder falscher Medizin«, kritisierte der Experte.
Eigentlich sollten Hausärzte die medizinische Versorgung ihrer Patienten koordinieren. Tatsächlich seien sie aber vielfach vom Informationsfluss in den Kliniken und Facharztpraxen abgekoppelt, sagte Gerlach. »Nicht selten« komme es dadurch zu vermeidbaren Diagnostiken und Therapien. Auch die vielen ambulanten Leistungen in den Kliniken sind nach Ansicht der Experten schlecht aufeinander abgestimmt. So komme es auch zu der »absurden Situation«, dass in den Krankenhäusern in benachbarten Zimmern unterschiedliche Behandlungsformen angeboten würden, erklärte Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbands.
Angesichts dieses »Patchworks von Einzellösungen« forderte der Experte daher »eine grundlegende Neuausrichtung für die fachärztlich-ambulante Versorgung.« Die Leistungserbringer müssten gemeinsame Qualitäts-, Verwaltungs- und Finanzierungsstandards entwickeln. Dafür bedürfe es mehr Transparenz darüber, wer welche Leistungen wie durchführe. Zudem sei eine »sektorübergreifende Bedarfsplanung« nötig, um festlegen zu können, welche medizinischen Strukturen und Kapazitäten für das »fachärztlich-ambulante Leistungsgeschehen« notwendig seien. Auch Jürgen Wasem, Mitherausgeber des Reports, warb für einen einheitlichen Ordnungsrahmen. So müsse die Politik an der Schnittstelle zwischen ambulanten und stationären Leistungen endlich gültige Spielregeln für alle vorgeben, forderte der Fachmann. epd/nd Kommentar Seite 4
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