Für 3000 Euro »neue geheime Wege«

Dramatische Szenen an Griechenlands Nordgrenze

  • Takis Tsafos, Athen
  • Lesedauer: 2 Min.
Ein Zaun im Süden des Balkans droht zum Symbol des Scheiterns der europäischen Flüchtlingspolitik zu werden. Tausende Menschen flehen die mazedonischen Behörden an: »Öffnet die Grenze!«

Wie ein Lauffeuer verbreitet sich am Montagmittag an der griechischen Grenze zu Mazedonien bei Idomeni ein Gerücht: »Die Grenze ist auf! Los, los!«, schreit ein junger Migrant. Die Szene wird live vom griechischen Fernsehen übertragen. Chaos bricht aus. Hunderte Flüchtlinge lassen ihre Habseligkeiten zurück, schnappen ihre Kinder und laufen Richtung Grenze. Dort erwartet sie die bittere Realität der Balkanroute: Die Barriere bleibt geschlossen.

Vielen der Menschen, die von einer Zukunft in Deutschland oder anderen Ländern träumen, packt die Wut. Mit Tränen in den Augen schreien sie: »Wir wollen los! Macht den Zaun auf!« Auf der anderen Seite des Zauns bringt sich mazedonische Bereitschaftspolizei in Stellung: Mit Helmen und Schildern geschützt eilt sie zur Grenze. Die Luft wird dicker, berichten Reporter des griechischen Fernsehens.

Die Bilder zeigen, wie Steine fliegen. Einige kräftige Migranten fangen an, den Zaun niederzureißen. Sie ziehen an den teils scharfen Drähten, rütteln hin und her, bis ein Pfahl und schließlich ein großes Stück des Zauns nachgeben und fallen. Jetzt stehen sich Flüchtlinge und Polizisten Antlitz zu Antlitz gegenüber. Die Bereitschaftspolizisten auf der mazedonischen Seite befürchten, von den Migranten überrannt zu werden. Sie setzen massiv Tränengas ein. Binnen Sekunden bricht neue Panik aus, die Flüchtlinge laufen zurück, stolpern, stürzen, trampeln sich nieder. Mindestens 15 Verletzte zählen Hilfsorganisationen später.

Eine Entspannung ist nicht in Sicht: Der Flüchtlingszustrom von der Türkei über die griechischen Inseln reißt nicht ab. Und die Balkan-Staaten sowie Österreich lassen nur noch wenige Flüchtlinge und - wie im Falle Mazedoniens - nur noch bestimmte Nationalitäten durch.

Menschen, die Tausende Kilometer aus Afghanistan, Pakistan, Irak, Syrien und Nordafrika gereist sind, kommen täglich in Griechenland an. Alle Aufnahmelager sind restlos überfüllt. Tausende Menschen harren auf öffentlichen Plätzen aus oder sind mit allen möglichen Mitteln, auch zu Fuß, unterwegs zur Grenze im Norden. Ähnlich Szenen des Elends spielen sich am Viktoriaplatz in Athen ab, der als Drehscheibe der Aktivitäten von Schleuserbanden gilt. »Für 3000 Euro pro Kopf versprechen sie, uns über ›neue geheime Wege‹ nach Deutschland zu bringen«, sagt ein Afghane im Fernsehen. Dies bestätigt ein Offizier der Küstenwache gegenüber dpa: »Die Menschenschmuggler-Bosse arbeiten bereits daran, neue Wege zu finden.« Menschenschmuggel sei sehr lukrativ. »Mehr als der Drogenhandel«, so der Offizier. dpa

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