De Maizières Drei-Staaten-Tour
Innenminister sendet Botschaft: Flucht nach Deutschland lohnt sich nicht
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat in Marokko, Algerien und Tunesien nicht nur den zu allen Tageszeiten servierten süßen Tee mit frischer Minze zu schätzen gelernt. Er hat auch seine Gesprächspartner als gut informiert in Flüchtlingsthemen erlebt. »Ich habe hier einen wirklichen Experten vorgefunden«, freute sich de Maizière etwa am Dienstag in Tunis nach seinem Treffen mit dem tunesischen Regierungschef Habib Essid.
In allen drei Staaten sagten die Regierungen dem CDU-Politiker zu, dass sie ihre im vergangenen Jahr als Flüchtlinge nach Deutschland gekommenen Landsleute in vereinfachten Verfahren zurücknehmen wollen - wobei die Zusagen Marokkos deutlich konkreter sind als jene aus Algerien und Tunesien.
Für de Maizière ist das ein Erfolg in der aufgeheizten innenpolitischen Debatte um eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen. Seine Gespräche nannte er »sehr zufriedenstellend« in Rabat, »eng und intensiv« in Algier und »konstruktiv« in Tunis.
Doch der wirkliche Effekt der Reise wird sich erst langfristig zeigen. Die Kooperationsvereinbarungen mit Marokko und Algerien bezüglich zügiger Absprachen und effektiver Kooperation in den Bereichen Identitätsabgleich, Ausstellung von Ersatzpässen und Rückführung abgewiesener Asylbewerber müssen sich in der Praxis bewähren. Die Vereinbarung mit Tunesien muss über ein Pilotprojekt zur vereinfachten Abschiebung von zunächst nur 20 Tunesiern hinauskommen.
Bei der Umsetzung hapern könnte es nicht nur auf Seite der nordafrikanischen Staaten. Auch die deutschen Behörden müssen erst einmal die Fingerabdrücke zur Identifizierung nordafrikanischer Staatsbürger liefern, wenn diese in der Hoffnung auf Asyl in Deutschland ihre Pässe weggeworfen und sich als syrische Bürgerkriegsflüchtlinge ausgegeben haben.
Es gebe dafür zwar keine rechtlichen Hürden, aber »logistische und organisatorische Probleme«, weil bisher nicht bei allen zuständigen deutschen Stellen Fingerabdrücke genommen wurden, räumte de Maizière ein. »Das ist unser Problem, das scheint mir aber lösbar.« Auch wird es für die überlasteten Mitarbeiter in den deutschen Amtsstuben schwer, der Forderung der Maghreb-Länder nachzukommen, unter den Hunderttausenden unbearbeiteten Asylanträgen nun rasch die ihrer Staatsbürger herauszusuchen.
Die von de Maizière getroffenen Vereinbarungen beziehen sich in erster Linie auf 2015 nach Deutschland gekommene Marokkaner, Algerier und Tunesier. Deren Anzahl ist im Vergleich zu den mehr als eine Million registrierten Flüchtlingen klein: Aus Marokko kamen rund 10 000 Menschen, aus Algerien knapp 14 000 und aus Tunesien wurden nicht einmal 2000 Flüchtlinge registriert. Ihre Chancen auf Asyl in Deutschland sind gering. Starten in den kommenden Monaten ein paar Flugzeuge mit ausreisepflichtigen Nordafrikanern an Bord, wird das nur einige Kommunen spürbar entlasten.
De Maizière muss sich auf den Vorwurf einstellen, seine Rundreise durch den Maghreb sowie die geplante - und von Menschenrechtlern kritisierte - Einstufung der drei Länder als sichere Herkunftstaaten seien Symbolpolitik unter dem Eindruck der Übergriffe durch Nordafrikaner in der Kölner Silvesternacht.
Allerdings wäre das eine Kritik, mit der de Maizière wohl leben kann. Der Innenminister verfolgt zur Verringerung der Flüchtlingszahlen einerseits die Maßgabe, dass auch einzelne Schritte zählen. Andererseits will er mit seinem Besuch in Nordafrika, den getroffenen Vereinbarungen und der Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer vorbeugend das Signal an die Menschen dort senden, dass sich für sie der Weg nach Deutschland nicht lohnt. AFP
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