An der Balkanroute wird aufgerüstet
Zäune, Eilgesetze und Armeen in Alarmbereitschaft / Nervosität über mögliches Ausweichen nach Albanien auf dem Weg in Richtung Westen
Im griechischen Süden der sogenannten Balkanroute drängen sich immer mehr verzweifelte Menschen in völlig überfüllten Flüchtlingslagern. Weiter nördlich führt der weitgehende Einreisestopp an der mazedonisch-griechischen Grenze zu ungewohnten Ruhe an Übergängen und in Durchgangslagern. Ob im slowenischen Brezice, kroatischen Slavonski Brod oder serbischen Sid: Bereits seit der Verhängung eines faktischen Einreiseverbots für Afghanen am 21. Februar durch Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien sind die offiziellen Flüchtlingszahlen an der Balkanroute drastisch gesunken.
In den vergangenen neun Tagen registrierte Sloweniens Polizei insgesamt gerade noch 2314 Transitmigranten, in den letzten beiden Tagen keinen einzigen. Die Durchschnittszahl liegt mit 257 Flüchtlingen pro Tag weit unter der in Absprache mit Wien erklärten Höchstzahl von 500 Durchreisenden pro Tag.
Der Wirksamkeit der Grenzabriegelung zu Griechenland scheinen die Anrainerstaaten der Balkanroute nicht ganz zu trauen. In allen Transitstaaten sind die Armeen in Erwartung einer verstärkten illegalen Einwanderung in Alarmbereitschaft versetzt worden. Zudem wird die Definition der Durchzugsberechtigten nach Vorgabe Wiens weiter eingegrenzt.
In Mazedonien, Slowenien und Serbien wurden mit Eilgesetzen oder Erlassen des Nationalen Sicherheitsrats die Voraussetzungen für den verstärkten Einsatz der Armee zur Grenzüberwachung bereits geschaffen. Kroatiens Regierung bereitet derzeit einen entsprechenden Gesetzentwurf vor. Auch Bulgariens Parlament hat Ende Februar die Befugnisse der Armee zum Einsatz an der Grenze einstimmig erweitert: Sofia rechnet wegen der vermehrten Blockaden auf der Balkanroute mit einem verstärkten Flüchtlingsdruck an seinen Grenzen zur Türkei, Griechenland - und Mazedonien.
Mit der Erklärung, dass die Einreise aus Mazedonien für Flüchtlinge von nun an die »einzig legale Route« sei, hat Serbiens Sozialminister Alexander Wulin letzte Woche alle aus Bulgarien einreisenden Migranten kurzerhand zu illegal kommenden »Wirtschaftsflüchtlingen« erklärt.
Für den Ausbau des bisher 132 Kilometer langen Zauns an der EU-Außengrenze zur Türkei bewilligte Bulgariens Parlament kürzlich weitere 35 Millionen Euro. Am Wochenende kündigte auch Ungarns Premier Viktor Orban den baldigen Baubeginn des Grenzzauns zu Rumänien an.
Nervosität herrscht auf der möglichen Ausweichroute über Albanien. Erste Schlepper und ihre Kunden wurden am südalbanischen Grenzübergang Kakavija gefasst. Das Land habe aber keinerlei Absicht, zur neuen Route für Flüchtlinge in Richtung Westeuropa zu werden, beteuert Premier Edi Rama: »Wir verfügen weder über die Bedingungen noch den Enthusiasmus, die Welt zu retten, während andere ihre Grenzen schließen.«
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