Millionen Sozialisten in den USA?
Bernie Sanders verbucht neuen Rekord an Kleinspenden / Kontrahent Hillary Clintons bleibt nach Super Tuesday im Rennen / Republikanische Führung nach Wahlerfolgen Trumps immer nervöser
Der Super Tuesday, Höhepunkt auf dem Weg zur US-Präsidentschaftswahl im November, hatte bei der Demokratischen wie der Republikanischen Partei mit Hillary Clinton bzw. Donald Trump zwei klare Sieger – und in Bernie Sanders einen großen Kämpfer. Barack Obamas erste Außenministerin und der Krawallmilliardär vergrößerten ihren Vorsprung in den innerparteilichen Rennen so deutlich, dass dieser Wahldienstag tatsächlich ein Tag der Vorentscheidungen war.
Sanders, der parteilose Senator auf dem Ticket der Demokraten und mit dem Selbstverständnis eines demokratischen Sozialisten, gewann zwar vier der zwölf Vorwahlen, ein Beleg, dass seine Wählerbasis »wie eine Eins steht«, so die »Washington Post«. Und doch hätten sich »seine Chancen verschlechtert«. Sanders gewann in Staaten wie Colorado und Minnesota, die wenige ethnische Minderheiten aufweisen. Clinton wiederum vergrößerte mit Erdrutschsiegen im Süden ihren Vorsprung und richtet den Blick jetzt auf den mutmaßlichen Gegner Trump.
Schon vor der Gewissheit seines Sieges in vier Staaten bekräftigte Sanders die Entschlossenheit weiterzukämpfen, auch in der Hoffnung auf Vorwahlstaaten wie Kalifornien und New York. »Ich habe gehört, die USA bestehen aus wesentlich mehr als 15 Bundesstaaten. Es ist daher nur fair, allen Staaten und ihren Wählern die Chance zu geben, für den Kandidaten ihrer Wahl zu stimmen.« Sanders‘ Zuversicht wurde von einer Rekordsumme an Kleinspenden gespeist. Am Montag verbuchte die Kampagne sechs Millionen Dollar, womit das Februarergebnis auf 42 Millionen Dollar wuchs. Es geht auf 1,4 Millionen Spender zurück, die im Schnitt je 30 Dollar gaben.
Unabhängig vom Ausgang des Duells mehren sich Stimmen, die die Sanders-Kandidatur nicht umsonst nennen. Harold Meyerson, Direktor des Monatsmagazins »The American Prospect«, fragte im »Guardian«, »wieso es auf einmal Millionen Sozialisten in Amerika gibt«, nachdem »Sozialismus immer ein schmutziges Wort in den USA war«. Sanders‘ Kampagne helfe, das Stigma teilweise zu beseitigen – aber wie stehe es um die Substanz des neuen amerikanischen Sozialismus? Meyersons Fazit: »Der Kollaps des Sowjetkommunismus hat es jüngeren Amerikanern ermöglicht, Sozialismus mit den sozialdemokratischen Nationen Westeuropas zu assoziieren, die weniger soziale Ungleichheit und deren schmerzliche Begleitung aufweisen als die USA.«
Hauptmotiv sei jedoch das nahezu komplette Versagen des heutigen amerikanischen Kapitalismus, so Meyerson: »Wo einst der regulierte, von Gewerkschaften gezähmte und relativ sozial handelnde Kapitalismus Mitte des 20. Jahrhunderts eine mehrheitlich prosperierende Mittelschicht hervorbrachte, produzierte der entfesselte, gewerkschaftsfreie Finanzkapitalismus der letzten 35 Jahre beispiellose soziale Ungleichheit, eine schrumpfende Mittelschicht und immer schlechtere Chancen (bei zugleich größeren Belastungen) für die Jungen.«
Das ficht die Republikaner nicht an. Doch vergrößert Trumps neuer Erfolg die Unruhe in der Parteiführung und wirft verschärft die Frage auf: Ergibt sich die Partei Abraham Lincolns einem Hassdemagogen und Rassisten – oder findet sie einen Gegenspieler, der ihn stoppt? Die »Washington Post« schrieb, die Anti-Trump-Kräfte hätten höchstens »noch zwei Wochen, um dem Milliardär die Nominierung zu nehmen – aber sie haben keine Strategie«. Am 15. März finden fünf Schlüsselvorwahlen statt: in Florida, Illinois, Missouri, North Carolina und Ohio. Jill Abramson, Ex-Chefredakteurin der »New York Times«, erklärte, Trump bediene – wie einst Ross Perot, Pat Buchanan oder George Wallace – vor allem die Ängste der Wähler. »Aber Gift und Ansteckungsgefahr seiner Botschaft wie seiner Erfolge sind ungleich größer als früher.«
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