Rot-Grün hilft Schwarzer Taube
Trotz Drucks von Nazis wird Anarcho-Buchladen in Dortmund nicht gekündigt
Am 18. März dürfte es voll werden im Erdgeschoss der Scharnhorststraße 50 in Dortmund. An diesem Tag soll dort nämlich »Black Pigeon« (»Schwarze Taube«) feierlich neueröffnet werden, ein anarchistischer Buchladen und Treffpunkt, dem seine bisherigen Räumlichkeiten zu klein geworden waren. Und die örtlichen Nazis rühren kräftig die Werbetrommel für ihre politischen Feinde aus dem links-libertären Lager, deren Geschäftsname sich auf die Anarchofarbe Schwarz und eine im Ruhrgebiet bei zahlreichen Taubensportfreunden populäre Vogelart bezieht.
»Wir hatten uns eigentlich auf eine ruhige Neueröffnung eingestellt«, lacht Sascha Bender, ein Mitglied des Kollektivs, das den Laden betreibt. Und er klingt nicht wirklich so, als wäre ihm der Trubel der letzten Tage ein reiner Graus.
Angenehm war er aber gewiss nicht, der Trubel. Die Nazis in der rechten Hochburg Dortmund hatten Druck auf den Vermieter der Immobilie in der Hafengegend ausgeübt. Ausgerechnet die in Dortmund besonders aggressive rechte Szene malte Bilder anarchistischer Gewalt an die Wand. Braune verbreiteten massenhaft im Internet schlechte Bewertungen für die Firma Immobilien Schneider. Und sie kündigten eine Demonstration vor der Firmenzentrale gegen den »Anlaufpunkt für Antifaschisten« an.
Federführend wie so oft: Die Pseudo-Partei »Die Rechte«, in Dortmund Auffangbecken für die führenden Kader des 2012 verbotenen »Nationalen Widerstand Dortmund«. Auch wurde eine Fensterscheibe des Mietobjekts eingeworfen.
Zeitweilig schien es so, als wolle Immobilien Schneider einknicken: »Wir wollen mit keinerlei Extremismus in Zusammenhang gebracht werden«, verkündete man über ein soziales Netzwerk. Die Firma suchte demgemäß nach dem »rechtlich Möglichen«, um den Mietvertrag mit dem linken Kollektiv aufzulösen - so wie es »Die Rechte« gefordert hatte.
Am Dienstagabend dann die Kehrtwende: »Als Vermieter betonen wir, dass ein rechtsgültiger Mietvertrag vorliegt.« Ob rechtliche Beratung oder politischer Druck zum Sinneswandel beitrug, dazu schwieg sich eine Unternehmenssprecherin am Mittwoch aus.
Die Geschichte schlug jedenfalls hohe Wellen - medial wie politisch: Können Dortmunds Braune jetzt schon über die Geschäftspolitik mittelständischer Unternehmen bestimmen? Der öffentlich-rechtliche Rundfunk filmte freundlich auf der Baustelle. Die lokalen Grünen sahen sich an den Straßenterror von SA und SS erinnert und forderten ein klares Zeichen der Stadtspitze. Dortmunds sozialdemokratischer Oberbürgermeister Ullrich Sierau, nicht gerade als Freund linksradikaler Politik bekannt, ließ sich vernehmen mit den Worten: »Man sollte nie weichen, weder als Mieter noch als Vermieter«.
Die Stadt habe wohl einen Präzedenzfall befürchtet, glaubt Sascha Bender, der Anarchist. Derweil wird in dem künftigen Buchladen weiter gehämmert und gesägt. Zwar sei man beim Renovieren durch den Wirbel der letzten Tage in Verzug geraten. Doch werde man den Laden pünktlich eröffnen, betont der Buchhändler.
Im bisherigen Ladenlokal des »Black Pigeon« hängt ein Plakat über einem blauen Sofa. »Demokratie heißt Krieg. Demokratie heißt Grenzen. Demokratie heißt Polizei«, steht darauf in englischer Sprache. Und das meinen die Gegner jeder Staatlichkeit nicht als Kompliment. Mitunter bedeutet Demokratie aber eben auch: Solidarität mit Andersdenkenden, die von Nazis bedroht werden.
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