Kapitalmärkte schätzen Frauen
Skurrile Studie: Börsen reagieren auf das überraschende Ausscheiden einer Frau negativer als bei einem Mann
Der Aufsichtsrat der Commerzbank beruft den bisherigen Privatkundenvorstand Martin Zielke an die Vorstandsspitze. Auch wenn man letztlich nicht fündig wurde - noch lieber hätte das Aufsichtsgremium angeblich eine Frau ernannt. Wohl auch eine Folge neuer Regeln: Seit dem 1. Januar müssen deutsche Unternehmen, die an der Börse notiert sind, mindestens 30 Prozent ihrer neu zu vergebenden Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzen. Die 30 DAX-Konzerne seien in dieser Hinsicht auf einem »guten Weg«, hat das unternehmensnahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) festgestellt. Demnach waren im vergangenen Jahr in den DAX-Aufsichtsräten 25 Prozent der Posten mit Frauen besetzt. Allerdings liegt der Frauenanteil laut dem europäischen Statistikamt Eurostat unter dem EU-Durchschnitt: in Schweden beträgt die Quote bereits 30 und in Frankreich 33 Prozent.
Auch unterhalb der Spitzenkonzerne schneidet Deutschland schlecht ab. 2014 waren nur 29 Prozent aller Führungspositionen in der Wirtschaft von Frauen besetzt, wobei die Rate in den östlichen Ländern höher war. »Damit blieb der Anteil im Vergleich zu den beiden Vorjahren nahezu unverändert«, so das Statistische Bundesamt anlässlich des Internationalen Frauentages. Deutschland lag im unteren Drittel aller EU-Staaten. Spitzenreiter ist Lettland mit 44 Prozent.
»Ob und was die Frauenquote den Unternehmen bringt, darüber streiten sich die Gelehrten seit Jahren«, meint eine IW-Sprecherin. Kritiker bezweifeln einen durchgängigen Zusammenhang zwischen Frauen in Führungspositionen und dem Erfolg eines Unternehmens. Andererseits gibt es zahlreiche Studien von Unternehmensberatungen wie McKinsey oder Catalyst, die einen positiven Zusammenhang zwischen hohem Frauenanteil an der Spitze und Umsatz, Aktienkurs oder Eigenkapitalrendite, also den Profiten, sehen.
Einen originellen Diskussionsbeitrag leisten jetzt zwei Wissenschaftler aus München und Hongkong. Sie untersuchten, welche Auswirkungen das plötzliche Ausscheiden einer Managerin wohl habe. Deshalb nahmen sie für den Zeitraum 1998 bis 2010 unter die Lupe, welche Auswirkungen 1500 Todesfälle von »Top-Frauen« weltweit auf börsennotierte Aktiengesellschaften ohne Frauenquote hatten. Das Ergebnis dürfte überraschen: Wenn eine Frau aus dem Vorstand oder Aufsichtsrat plötzlich ausscheidet, reagieren die Akteure auf den Kapitalmärkten wesentlich negativer, als wenn ein Mann stirbt.
»Hier wirkt der harte Auswahlprozess«, meint Studienautor Daniel Urban von der Technischen Universität München. Frauen müssten deutlich bessere Leistungen zeigen als ihre männlichen Kollegen. »Entsprechend groß ist die Wirkung, wenn sie ausfallen«, erklärt der Kapitalmarktexperte. Seine Schlussfolgerung: »Unternehmen sollten die Auswahl ihrer Führungskräfte verbessern.« Vor allem sollten sie dieselben Maßstäbe für beide Geschlechter anlegen. Denn mit der Gleichstellung von Managerinnen könnten sie ihren Firmenwert steigern.
Gleichzeitig sprechen die Erkenntnisse aus Sicht von Urban gegen eine Frauenquote. Frühere Studien hätten belegt, dass nach deren Einführung bei Aufsichtsräten in Norwegen die Unternehmen weniger erfolgreich waren. Die Quote habe dazu geführt, dass nicht immer die besten Führungskräfte ausgewählt wurden.
Dass allerdings zukünftig öfters Frauen ins Topmanagement befördert werden, dafür spricht das gerade veröffentlichte Betriebspanel des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, für das Daten aus 16 000 Betrieben in ganz Deutschland erhoben wurden. Danach ist der Frauenanteil auf der zweiten Führungsebene in der Privatwirtschaft auf 39 Prozent gestiegen. »Und die sind auf dem Weg nach ganz oben«, heißt es beim Kölner IW. Auch in der Commerzbank: Dort rückt im Mai mit Bettina Orlopp eine erste Frau in den siebenköpfigen Konzernvorstand auf.
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