Black Box Reichtum
Daniela Trochowski wundert sich, dass gerade die wohlhabendsten Menschen gesichtslos bleiben und wünscht sich eine stärkere Besteuerung ihrer Vermögen
»Gesichter der Armut« - so der Name einer Wanderausstellung, mit der die Arbeiterwohlfahrt Mecklenburg-Vorpommern derzeit auf die Auswirkungen von Armut und Arbeitslosigkeit aufmerksam machen will. Es werden Menschen porträtiert, die »abseits vom Wohlstand« leben, Gesichter der stillen Würde. Doch was ist mit denen, die mitten im Wohlstand leben? Welches Gesicht hat der Reichtum? Vermögen sind in der Bundesrepublik des Jahres 2016 noch immer eigenartig gesichtslos. Mehr noch: daten- und faktenlos.
Und doch ist eines klar: Vermögen waren noch nie so ungleich verteilt - dieser Satz scheint inzwischen eine Ewigkeitsgarantie zu besitzen. So testiert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung der Bundesrepublik Deutschland aktuell eine der höchsten Ungleichverteilungen im Euro-Raum. Das reichste Prozent der Bürger besitzt 36 Prozent, die reichsten zehn Prozent rund drei Viertel des Nettovermögens. 50 Prozent der Haushalte verfügen gerade über einen Prozent am Vermögen. Das Vermögen von Arbeitslosen hat sich in den letzten zehn Jahren - aufgrund der Hartz-IV-Reformen - halbiert. Da über die oberen Einkommens- und Vermögensgruppen allerdings keine statistischen Erhebungen vorhanden sind, geht das Wirtschaftsinstitut von einer noch höheren Ungleichverteilung aus. Während also über die Ursachen, Betroffenheit und Folgen von Armut inzwischen Hunderte von Metern geschrieben sind, ist Reichtum eine Black Box.
Dies hat System: Das Schweigen zum Vermögen und zu einer Vermögensbesteuerung gehen Hand in Hand. Die Vermögensteuer wurde 1996 zum letzten Mal erhoben. Und nichts scheint in diesem Jubiläumsjahr so wenig en vogue wie der Versuch, eine Debatte darüber anzustoßen. Doch ist sie deshalb falsch? Nein. Es gibt zahlreiche gute Gründe, sich auf eine eigenständige Vermögensteuer zu besinnen. Sie böte z.B. die Möglichkeit, die hohe Ungleichverteilung von Vermögen in der Bundesrepublik zu korrigieren. Gerade die Steuerbelastung von hohen Einkommen und Vermögen wurde in den letzten 20 Jahren massiv gesenkt. Das Ergebnis sind exorbitant steigende Vermögen, die nicht einmal in der Finanzkrise schmaler wurden.
Dabei schlägt nicht nur die Abschaffung der Vermögensteuer selbst zu Buche. Die Einführung der Kapitalabgeltungssteuer, mit der hohe Kapitalerträge nur noch zu 25 Prozent besteuert werden, das Zurückfahren der Erbschaftsteuer, aber auch die mangelhafte Ausgestaltung der Grundsteuer tragen ihren Teil dazu bei. Im Ergebnis machen vermögensbezogene Steuern nicht mal ein Prozent des deutschen Bruttoinlandprodukts aus. Dies entspricht nicht einmal der Hälfte ihres Anteils in den wichtigsten Industriestaaten.
Weiterhin sollte die öffentliche Hand bei der Finanzierung des Gemeinwesens nicht auf die bloße Freiwilligkeit der Vermögenden zurückgeworfen sein. Während Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich mit ihrer Lohnsteuer zu mehr als einem Viertel an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben beteiligen, werden Vermögende sorgsam geschont. Dabei steckt doch gerade hier Potenzial. So rechnet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vor, dass mit der Einführung einer Vermögensteuer von einem Prozent und eines Freibetrages in Höhe von einer Million Euro rund zehn Milliarden Euro Steuermehreinnahmen zu generieren wären.
Und noch etwas ist nachdenkenswert: Experten gehen davon aus, dass durch das Ankaufprogramm der Europäischen Zentralbank für Anleihen die Vermögensungleichverteilung noch verschärft wird. Aufgrund der niedrigen Verzinsung - so die Beobachtung - nimmt die Nachfrage nach Aktien und Immobilien massiv zu. Die Vermögenspreise steigen. Die Nutznießer einer solchen Politik sind vermögende Haushalte, die Aktien und Immobilien in Größenordnungen halten. Grund genug, dem mit einer stärkeren Vermögensbesteuerung entgegenzuwirken.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.