Günstige Wohnungen Fehlanzeige
Stadtentwicklungssenator will gegen Grundstücksspekulation vorgehen
Das Märkische Viertel, die nördlichen Gebiete Marzahns, Hellersdorfs, Kreuzbergs, Neuköllns sowie Teile Weddings sind auf dem Stadtplan rot eingefärbt. Arnt von Bodelschwingh nennt das eine »Warnkarte«. Denn hier leben mehr als 30 Prozent der Bewohner in Bedarfsgemeinschaften, beziehen also Hartz IV oder andere Transferleistungen. »Wo kommen die Mieter unter, wenn sie mal umziehen müssen?«, fragt sich von Bodelschwingh, der mit der Firma RegioKontext für die Investitionsbank Berlin (IBB) den Wohnungsmarktbericht 2015 erarbeitet hat. Bei der Vorstellung am Freitag warnte er vor »hohem Konfliktpotenzial«.
Denn die Mieten ziehen weiter an, bezahlbare Wohnungen sind mehr denn je Mangelware, falls sie überhaupt noch angeboten werden. Mittlerweile kommen bereits mehr Eigentums- als Mietwohnungen auf den Markt. Viele würden offenbar gleich unter der Hand vergeben, vermutet von Bodelschwingh. Zumal eine Fluktuationsreserve in Form von leer stehenden Wohnungen kaum noch vorhanden sei.
Entsprechend ziehen die Angebotsmieten weiter an. Ende vergangenen Jahres lagen sie im Schnitt bei 8,80 Euro netto/kalt pro Quadratmeter und damit 60 Prozent über dem Wert von 2008. Deutlich höhere Mieten muss bezahlen, wer in Friedrichshain-Kreuzberg (knapp 11 Euro), Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf (beide etwa 10 Euro) oder Pankow (9,45 Euro) eine Wohnung beziehen will. Am günstigsten sind die Angebote in Marzahn-Hellersdorf (5,75 Euro) und Spandau (knapp 7 Euro). Laut IBB-Bericht verschieben sich die Angebote weiter Richtung oberes Preissegment. Ein Drittel der Wohnungen wird für Mieten um zehn Euro pro Quadratmeter angeboten, in Friedrichshain-Kreuzberg, dem mittlerweile teuersten Bezirk, sind es 67 Prozent.
Nur noch für 22 Prozent aller Wohnungen werden Mieten von weniger als sieben Euro pro Quadratmeter verlangt, zu finden sind sie fast nur noch außerhalb des S-Bahn-Rings. Wohnungen mit Mieten unter fünf Euro sind fast nicht mehr im Angebot, mit sechs Prozent sind sie lediglich in Marzahn-Hellersdorf noch relevant. »Es entwickelt sich eine unterschiedliche Preisstruktur in der Stadt«, konstatierte von Bodelschwingh. Das Ende vergangenen Jahres die Entwicklung bei den Angebotsmieten stagnierte, wertete er als »Verschnaufpause«. Eine Erklärung, ob es an der Mietpreisbremse liegt oder ein Preisniveau erreicht sei, wo nichts mehr geht, wollte er noch nicht wagen. Letzteres sei aber eher unwahrscheinlich.
Bei Eigentumswohnungen dagegen scheint der Preisauftrieb vorerst gebremst zu sein. Demnach sinken die Angebotspreise seit dem vergangenen Sommer sogar leicht. Gegen Jahresende verlangten Verkäufer für Wohnungen im Schnitt 3426 Euro je Quadratmeter, zehn Euro weniger als im Vorjahr.
Für Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) zeigt der Bericht, »wie dringlich Wohnungsneubau ist«. Weshalb er sich auf dem richtigen Weg sieht. Sorge bereitet ihm allerdings die Differenz zwischen den im vergangenen Jahr erteilten 22 000 Baugenehmigungen und den 12 500 fertiggestellten Wohnungen. »Das ist ein Zeichen dafür, dass mit Baugenehmigungen spekuliert wird.« Die Baugrundstücke werden dadurch teurer, der Bau dann auch. Darauf deuten auch die dramatisch gestiegenen Grundstückspreise im vergangenen Jahr hin. Günstiger Wohnraum kann so nicht entstehen. Geisel ärgert, dass manche Projekte mehrfach verkauft werden und sich dadurch immer weiter verzögern. Er denkt über eine abgestufte Grundsteuer nach - je länger das Grundstück nicht bebaut wird, um so höher. Für das Erlassen von Baugeboten, wie es der Berliner Mieterverein fordert, sieht er keine rechtliche Grundlage.
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