Mazedonisches Militär stoppt Flüchtlingsmarsch aus Idomeni
Mehr als 1000 Asylsuchende haben Notlager in Nordgriechenland am Montag verlassen / »Marsch der Hoffnung« sucht neuen Weg über mazedonische Grenze / Polizei setzt Gruppe kurz vor der Grenze fest / Zugesagte Unterstützung für Athen läuft nur schleppend an
Update 18.10 Uhr: Mazedonische Armee stoppt Flüchtlinge und setzt Reporter fest
Die mazedonische Armee hat hunderte Flüchtlinge gestoppt, die die griechisch-mazedonische Grenze überquert haben. Die Soldaten schritten am in der Nähe von Gevgelija ein, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Die Flüchtlinge waren zuvor aus dem überfüllten griechischen Flüchtlingscamp Idomeni aufgebrochen, um eine alternative Route nach Mazedonien zu finden und ihren Weg auf der sogenannten Balkanroute fortzusetzen. Rund 20 Journalisten, die den Flüchtlingszug begleitet hatten, wurden auf eine Polizeiwache in Gevgelija gebracht, wie der ebenfalls betroffene AFP-Reporter berichtete
Flüchtlingsmarsch bricht aus Idomeni auf
Hunderte Flüchtlinge haben am Montag das provisorische Notlager in Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze verlassen. Wie freiwillige Unterstützer vor Ort berichteten, hatten sich die Menschen aufgemacht, zu Fuß die geschlossene Grenze nach Mazedonien zu überqueren, um offenbar eine Lücke in den Grenzanlagen zu finden. Einige Helfer sprechen von mehr als 1000 Flüchtlingen, die sich dem Marsch angeschlossen haben, darunter auch zahlreiche Kinder und Frauen. Bereits am Nachmittag passierte die Gruppe die Ortschaft Chamilo, die sich nur zwei Kilometer entfernt von der griechisch-mazedonischen Grenze befindet.
Wie Helfer via Twitter berichteten, sollen griechische Polizisten zunächst vergeblich versucht haben, den Marsch noch zu stoppen. Die Flüchtlingsgruppe wurde am Nachmittag jedoch von den Polizisten gestoppt. Mazedonische Polizeikräfte waren zunächst nicht zu sehen. Offenbar war der Aufbruch Richtung Grenze länger geplant. Im Camp sollen Flyer kursieren, auf denen die geplante Route für den #Marschofhope verzeichnet ist.
Erst am Montagmorgen waren drei Flüchtlinge bei dem Versuch ertrunken, einen Fluss an der griechisch-mazedonischen Grenze zu überqueren. Laut der Nachrichtenagentur Reuters handelte es sich dabei um zwei Männer und eine Frau. Nach Informationen der »Bild« handele es sich bei den Opfern um drei Afghanen. 23 weitere Menschen wurden durch Einsatzkräfte gerettet. Der Fluss war in den vergangenen Tagen durch den lang anhaltenden Regen stark angestiegen.
Offenbar das gleiche Hindernis versuchte der Flüchtlingsmarsch am Montagnachmittag zu überwinden. Auf Fotos in den sozialen Netzwerken ist zu sehen, wie sich eine lange Kette von Asylsuchenden vorsichtig durch den Fluss kämpft. Kinder wurden auf den Schultern herübergetragen
In Idomeni spitzte sich die humanitäre Situation in den letzten Tagen immer weiter zu. Nach neuem Dauerregen ist das Lager völlig verschlammt. Dutzende Menschen, darunter viele Kinder, leiden unter Atemwegserkrankungen, berichtete das Staatsfernsehen. Die Behörden riefen die Migranten abermals auf, das Camp zu verlassen und in andere organisierte Lager im Landesinneren zu gehen. Bislang sollen nach Schätzungen griechischer Medien etwa 1400 Menschen Idomeni verlassen haben. Rund 12.000 Migranten harren dort weiter aus, nun ist ein Teil von ihnen Richtung Grenze aufgebrochen.
Erst am Sonntag hatten hatten hunderte Flüchtlinge in Idomeni gegen die Schließung der Grenzen protestiert. Vor allem Syrer und Iraker setzten sich am Samstag auf die Bahngleise und riefen »Öffnet die Grenze«. Ein Syrer trat sogar in den Hungerstreik. Die griechische Regierung versprach eine Verbesserung der Lage bis zum kommenden Wochenende. Im Zuge der Schließung der Balkanroute war vor einer Woche auch der Grenzübergang in Idomeni geschlossen worden. Seither sitzen dort rund 14.000 Flüchtlinge unter schlimmsten Bedingungen fest.
Insgesamt befinden sich derzeit nach Angaben des zuständigen Krisenstabs mehr als 44.500 Migranten in Griechenland. Fast 9300 Migranten wurden auf den Inseln der Ostägäis gezählt, gut 11.100 im Großraum Athen. Nach der Schließung der Balkanroute, auf der die Flüchtlinge über Monate in die nordeuropäischen Länder gelangt waren, stranden die Zuflucht suchenden Menschen nun in Griechenland.
Die Regierung in Athen hatte das erste Mal im Dezember die EU um finanzielle als auch materielle Unterstützung gebeten. Im Rahmen des EU-Zivilschutzmechanismus erneuerte Griechenland seine Bitte Ende Februar noch einmal. Wie allerdings am Montag bekanntwurde, läuft die zugesagte Unterstützung der EU-Kommission nur schleppend an. Zwar hieß es aus Brüssel, es hätten bisher 13 Mitgliedstaaten und Norwegen 87.000 Hilfsgüter wie Decken, Zelte, Matratzen und Medikamente geliefert. Eine Übersicht zu den angeforderten Hilfen zeigt aber, dass Athen in mehreren Bereichen noch überhaupt nichts oder nur sehr wenig erhalten hat.
Von den EU-Partnern geliefert oder angeboten wurden bisher insbesondere mehrere tausend Betten, fast 9000 Schlafsäcke, 12.400 Wolldecken, 2300 Kissen und 3400 Zelte. Hiznu kommen 2000 Erste-Hilfe-Kits, 46.000 Regenjacken, 120 Generatoren, 9000 Benzinkanister und 18 Mini-Vans. Athen wartet dagegen noch auf 60 angeforderte Krankenwagen, ebenso viele Geländewagen sowie 20 Busse. Zudem bekam Griechenland bisher erst 36 von 4800 Containern für Flüchtlingsunterkünfte und Sanitärversorgung zugesagt und hofft weiter auf 2400 mobile Toiletten, 2600 Duschen, 150.000 Luftmatratzen sowie auf 100.000 Gummistiefel. Keinerlei Zusagen gibt es bisher auch für 500 Computer und Mobiltelefone für die Helfer.
Ein Sprecher der EU-Kommission sagte am Montag, Griechenland werde diese Woche weitere Hilfslieferungen erhalten. Es werde erwartet, dass Österreich, Spanien, Litauen, Ungarn, Norwegen, Schweden und auch Deutschland weitere Lieferungen machten. Die Bundesregierung hat sich laut Kommission bisher mit 2000 Erste-Hilfe-Kits, zwei Wasserpumpen, hundert Betten und 1000 Kissen an der Griechenland-Hilfe beteiligt. rdm mit Agenturen
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