Deutsche Kartoffeln gegen den Welthunger

Entwicklungsministerium orientiert sich nicht an den Bedürfnissen der Empfängerländer

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 4 Min.
Bei der Hilfe für arme Länder versteht das Entwicklungsministerium wirtschaftliche Zusammenarbeit häufig als Förderung der deutschen Wirtschaft - auch beim Kampf gegen Hunger.

Am 24. Februar stellte die Weltbank im Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit ihre Evaluierung der von ihr geförderten Öffentlich-Privaten Partnerschaftsprojekte (ÖPP) in ärmeren Ländern vor. ÖPP sollen Investitionen ermöglichen, die sich die Staaten nicht leisten können, und direkt Arbeitsplätze schaffen sowie Dienstleistungen verbilligen.

Der Evaluation zufolge ist die Datenlage zwar schlecht und auf den geschäftlichen Erfolg fokussiert, aber für eben diesen Erfolg der an ÖPP beteiligten Firmen gibt es viele Belege, während von nennenswerten Vorteilen für die Armen kaum etwas bekannt ist. Die Weltbank wird aufgefordert, mehr in »weniger entwickelten Ländern« zu investieren und die Regierungen dabei mehr zu beraten. Zu beachten ist dabei, wie die Studie selbst anmerkt: Bei ÖPP, die nicht von der Weltbank gefördert werden, dürften die Erfolge (noch) kleiner ausfallen.

In der Entwicklungszusammenarbeit spielen ÖPP eine immer größere Rolle. Auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) richtet trotz anders lautender Rhetorik seine Hilfsprojekte weiterhin auch an den Bedürfnissen von Konzernen aus. Der vom Ministerium erklärte »Kampf gegen den Hunger« setzt sehr auf die Förderung des Absatzes von Produkten deutscher Chemie- und Agrarfirmen. Deutlich wird das an drei regionalen Projekten: die bis November 2017 laufende Better Rice Initiative Asia (BRIA), die Ende dieses Jahres auslaufende Competitive African Rice Initiative (CARI) und die Ende 2015 ausgelaufene Potato Initiative Africa (PIA). Zudem arbeitet das BMZ auch über andere Programme mit Agrarkonzernen zusammen: die sogenannten »Grünen Innovationszentren«, das Programm develoPPP (Selbstdarstellung: »Mehr als 1650 Kooperationen in über 70 Entwicklungs- und Schwellenländern haben wir seit 1999 auf den Weg gebracht.«) und die »Neue Allianz für Ernährungssicherung« der G7-Staaten.

Im Januar 2015 machte die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage hin Angaben zu den finanziellen Mitteln: Das Finanzvolumen der BRIA beträgt rund zehn Millionen Euro, wovon die privaten Projektpartner rund 70 Prozent tragen. Die CARI verfügt über mehr als 18 Millionen Euro, wobei rund drei Viertel des Geldes von einer Stiftung (gemeint ist die von Microsoft-Gründer Bill Gates) kommen. Die 1,4 Millionen Euro der PIA teilten sich BMZ und private Partner hälftig. Die Partner bringen den Angaben zufolge vor allem Sachmittel ein: Personal zur Erarbeitung von Lehrplänen und Trainingsmaterial, zudem Studien und öffentliche Veranstaltungen.

Das sind keine allzu hohen Summen. Und laut Bundesregierung ist »weder mit Risiken für die bäuerlichen Betriebe in der Zielregion, die nicht in das Projekt involviert sind, noch mit negativen Folgen für Klima und Umwelt zu rechnen«. Zudem werde genmanipuliertes Saatgut nicht empfohlen. Aber solche Programme binden staatliche Mittel in den Zielländern und wirken bisweilen strukturell. Dabei mussten Projektvorschläge nicht einmal aus der Region kommen. Es geht schlicht vor allem um den Absatz von Produkten. Kleinbauern und -bäuerinnen sollen diese Produkte nutzen und lernen, die Anforderungen von Wertschöpfungsketten zu erfüllen.

Marita Wiggerthale von der Organisation Oxfam war im Dezember in Kenia, um die auslaufende Kartoffelinitiative PIA näher zu betrachten. Sie hat einen Bericht im Internet veröffentlicht. Zusammengefasst: Die Kartoffel gibt es in Kenia seit 100 Jahren und sie ist ein Hauptnahrungsmittel; Saatgut muss fast niemand kaufen; weitere Sorten gibt es in Nachbarländern, Neu-Importe aus Deutschland sind nicht nötig, umso weniger als die Industriekartoffeln krankheitsanfälliger sind, weil sie auf Pestizideinsatz gezüchtet wurden und einen in Kenia weniger beliebten Geschmack haben; die an dem Projekt teilnehmenden Höfe waren nicht von Hunger betroffen, hatten also keine »Rettung« nötig - stattdessen wird ihnen eine kostenintensive Form des Kartoffelanbaus nahegelegt, die einer Wette auf steigende Erträge gleichkommt, und das bei kaum oder gar keinen Ersparnissen, die Misserfolge auffangen könnten. Die im Januar 2015 beantwortete Bundestagsanfrage der Linksfraktion ergab nebenbei, dass die Kartoffelinitiative auch die Produktion von Kartoffelchips fördert, denn da scheint noch viel Marktpotenzial zu sein.

Im Rahmen der BRIA hat der Chemiekonzern BASF 2013 mit der staatlichen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) einen Kooperationsvertrag abgeschlossen. Er beinhaltet, sich in Indonesien für die Anreicherung von Speiseöl und Reis mit Mikronährstoffen einzusetzen. Die Mikronährstoffe kommen von BASF und dem niederländischen Kooperationspartner DSM. Bei anderen Projekten kooperiert BASF mit dem BMZ beim Einsatz für Ölanreicherung. Im BRIA-Vertrag, der »nd« teilweise geschwärzt vorliegt, ist festgehalten, dass neben Werbekampagnen auch Veranstaltungen durchgeführt wurden, in denen die Regierung dazu gedrängt wurde, diese Nahrungsmittelanreicherung vorzuschreiben. Hingegen behauptete die Bundesregierung 2015, dass bei diesen Programmen »keine Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen in den Partnerländern vorgesehen« seien. Eine 2014 erschienene Studie von Terre des Hommes und Welthungerhilfe hält fest, dass strukturelle Armutsbekämpfung wichtiger ist als es Nahrungsmittelanreicherungsprojekte sind.

Ein Grundproblem bei diesen ÖPP, das sich auch in der Weltbank-Evaluation bemerkbar macht, ist die Intransparenz. Ein anderes ist, dass statt auf Ökologie und Risikostreuung durch diversifizierte Landwirtschaft auf Monokulturen und die entsprechend nötigen Dünger und Pestizide gesetzt wird. Dass die Bundesregierung lange nicht bereit war, das Schulungsmaterial der Firmen für die Bäuerinnen und Bauern zu veröffentlichen, spricht ebenfalls für sich. Die schließlich geschwärzt herausgegebenen Dokumente werden derzeit von Oxfam analysiert.

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